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60Plus | Mundart | April, 2017
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Blumige Mundart.

Regionale Dialekte kommen am meisten bei denjenigen Bezeichnungen zum Tragen, die sich auf Dinge beziehen, die schon seit ewigen Zeiten den Alltag der Menschen bestimmten: Dazu gehören neben Flurnamen, Bezeichnungen für Handwerksgerät und Arbeitsvorgänge, Speisenamen sowie Namen für die Fauna vor allem auch Namen für die Flora, da Pflanzen in allen ihren Formen für den Alltag, die Arbeit, die Ernährung und die Medizin genutzt wurden. In der Frühlingsausgabe des «60plus» soll sich daher alles um die Mundartbezeichnungen für einheimische Blumen drehen.

Im Jahre 1976 bemerkte Alt-Regierungschef und Mundartforscher Alexander Frick (1910–1991) in seinem Beitrag «Unsere mundartlichen Pflanzennamen», abgedruckt im «Bericht der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft Liechtenstein-Sargans-Werdenberg»: «Noch unsere Grossväter und Grossmütter hatten für die meisten Pflanzen ganz andere Bezeichnungen als wir. Vor allem durch die Schule, die präzise botanische Begriffe vermitteln will und auch muss, finden die allgemein üblichen (botanischen) Pflanzennamen rasche Verbreitung. […] Das Bestimmungsbuch für Alpenblumen, das der Bergwanderer gerne im Rucksack hat, ist natürlich ganz auf die botanischen Bezeichnungen ausgerichtet, und die lokalen Namen, die etwa noch beigedruckt sind, stammen meistens aus anderen Gegenden und stimmen mit unseren Mundartbezeichnungen selten überein.» So kommt es denn auch, dass heutige, in den Gemeinden Liechtensteins verbreitete Strassennamen wie «Badudaweg» oder «Budennaweg» (beide Schaan) oder «Bagudaweg» und «Kartennaweg» (beide Vaduz) oder «Elgagass» (Balzers) als exotische Namensschöpfungen anmuten, und kaum jemand vermutet dahinter mundartliche Blumennamen, die der einheimischen Bevölkerung noch vor hundert Jahren geläufig waren. Würden diese Strassennamen in die heutige Zeit «übersetzt», so würden sie «Wiesenkerbelweg» (Baduda und Baguda), «Schlüsselblumenweg» (Budenna und Kartenna) oder «Liliengasse» (Elga) heissen. Es sei dem geneigten Leser überlassen, was besser gefällt!

Glinzgele und Wiiberkriag

Blumen waren aber auch namensgebend für einzelne, für die heutige Bevölkerung nicht mehr deutbare Flurbezeichnungen wie «Glinzgeleböchel» (Balzers), (möglicherweise) «Füliwand» (Triesenberg) oder das aufgrund der geänderten Art und Weise des Holzschlags namenlos gewordene «Kleielires» (Vaduz). «Glinzgele» ist der alte Name für den scharfen Hahnenfuss (Ranunculus acer), und gemäss Alexander Frick rührt der Name vom Fettglanz der Blätter. Der Wortteil «Füli-» in der Ortsbezeichnung «Füliwand» könnte theoretisch auch auf den Huflattich zurückzuführen sein, der im Dialekt «Fölifuass» (auch «Miarzablüemle» oder «Röfiblüemle») genannt wurde, oder auf den Bärlapp, der «Follekrut» (oder auch «Bäratazza») hiess. «Kleieli» (auch: «Kleiele», «Kaleile» oder «Maiarisle») wiederum ist das Maiglöckchen. Anhand dieser Beispiele erkennt man aber auch ein grosses Problem der Dialektbezeichnungen speziell für die Pflanzenwelt. Häufig existierten für eine Pflanze mehrere Namen, oder derselbe Name wurde für verschiedene Pflanzen benutzt. So wurde u.a. die Dornige Hauhechel (Ononis spinosa) «Eselkrut» genannt, aber auch «Ochsastreck», «Wiiberkriag» oder «Stallkrut». Andererseits wurde der Begriff «Bettsächerle» u.a. sowohl für das Windröschen als auch für das Muschelblümchen oder das Herzblatt verwendet. Hierbei ist es aber durchaus möglich, dass ähnlich aussehende Blumen vom Laien-Blumenfreund verwechselt wurden. Zum Teil gibt es aber auch von Dorf zu Dorf unterschiedliche Namensgebungen wie beim Bocksbart, der in Schaan «Johanniskrut» genannt wurde, und in Balzers «Sunnabluama», oder beim Löwenzahn, der in manchen Gemeinden nach wie vor «Krottakrut» oder «Saubluama» heisst und in Mauren «Fuarzablooma». Ein weiteres Beispiel ist das Stiefmütterchen, das gemäss Alexander Frick in Eschen «Nachtschattile» hiess und in Schaan und Vaduz «Tempblüamle».

Weitere Blumennamen:

  • Bachrolla (Triesenberg): Trollblume
  • Ballatätsch: Alpenwegerich
  • Bettbrunzerle: Lerchensporn
  • Fingerhuat: Glockenblume
  • Gloggabluama: Schneeglöckchen
  • Haagrosa/Hundsrosa: Heckenrose
  • Hundshöda/Hundshoda: Herbstzeitlose
  • Käslekrut: Malve
  • Klepfer/Klepferle: Taubenkropf
  • Kramella: Kamille
  • Negile: Nelke
  • Papile-Krut (Eschen): Mohn
  • Rägabluama: Zaunwinde/Zaunwicke
  • Rossrepp: Spitzwegerich
  • Stärnile: Leberblümchen
  • Suurhampfla: Sauerampfer
  • Üüsi Härrgottsbrötle: Rotklee
  • Veijöölile: Veilchen
  • Welda Knoblet: Bärlauch

Alexander Fricks Beitrag im Bericht der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft 1976 wurde nochmals 1979 in zwei Teilen in seiner populären Mundartglosse im Liechtensteiner Volksblatt abgedruckt (L. Vo. 9.10. und 10.11.1979). Diese Veröffentlichung wurde begleitet von einem Aufruf Fricks, man möge ihm weitere mundartliche Pflanzen-, aber auch Tiernamen in Liechtenstein mitteilen. Gerne sei dieser Aufruf fast vierzig Jahre später an dieser Stelle im «60plus» wiederholt. Da aber bereits Alexander Fricks Aufruf kaum ein Echo fand, ist die Erwartungshaltung sehr gering.