Buchbesprechung von Klaus Biedermann
Ein Ziel des 2008 gegründeten Vereins für Vaduzer Heimatkunde (VVH) ist die Herausgabe eines neuen, dreibändigen Heimatbuches. Zwei der drei Bände sind erschienen. Band 1, «Spurensuche» (2013), bietet in vier Beiträgen eine Bestandsaufnahme dessen, was den Menschen in Vaduz ausmacht: die Herkunft, die Rituale (Bräuche) und die Sprache. Dieser Band 1 enthält auch einen Beitrag über Vaduzer Familien, Persönlichkeiten und «Originale».
Vaduzer Landwirtschaft
Der Vaduzer Historiker Alois Ospelt schreibt in Band 2 zur «Vaduzer Landwirtschaft». Der Autor fragt nach der Entwicklung des Siedlungs- und Gemeindegebiets. Alois Ospelt stützt sich auf schriftliche Quellen ab. Solche belegen Streitigkeiten, die es über Jahrhunderte zwischen benachbarten Gemeinden gab. Gestritten wurde um die Nutzung von landwirtschaftlichem Boden. Lange Zeit bewirtschafteten Schaan, Vaduz und Planken einen Teil ihres Bodens gemeinsam. Sie bildeten bis 1873 eine Pfarrei.
Die Dörfer waren genossenschaftlich organisiert. Die Haushalte bewirtschafteten den gemeinsamen Boden, für sich selbst ebenso ein kleineres Stück Land, das ihnen zugeteilt war. Schon um 1600 gab es 108 Möliholzteile, die der damaligen Anzahl Haushalte von Schaan und Vaduz entsprachen. Das Bevölkerungswachstum zwang ab dem 18. Jahrhundert zur Gründung neuer Haushalte. Damit stieg der Druck auf den Boden. Dies führte zur Aufteilung des bisher gemeinsam genutzten Bodens zwischen Vaduz, Planken und Schaan, andererseits aber auch zu einer Privatisierung von bisherigem Gemeinbesitz. Von dieser Privatisierung versprach man sich bessere Erträge. Die erwähnte Bodenaufteilung führte ab 1797 zu den heutigen Gemeindegrenzen (mitsamt Exklaven) zwischen Schaan, Vaduz und Planken.
Die Landwirtschaft blieb in Vaduz bedeutend, bis weit ins 20. Jahrhundert. Alois Ospelt geht auf die Betriebszweige ein, die sich in die Bereiche Ackerbau und Viehzucht aufteilen lassen. Zum ersten Bereich gehören der Anbau von Mais und Kartoffeln, aber auch der Wein- und Obstbau. Dem zweiten Bereich zugehörig sind die traditionell wichtige Rindviehhaltung sowie die damit verbundene Milch- und Alpwirtschaft.
Vaduzer Gewerbetreibende – gestern, heute, morgen
Die in Vaduz aufgewachsene Historikerin Veronika Marxer beleuchtet die Entwicklung des Gewerbes. Sie stellt exemplarisch einzelne Betriebe vor. Veronika Marxer skizziert zunächst das Leben des 1809 geborenen Anton Ospelt. Dieser war ab 1826 über 15 Jahre Saisonarbeiter und Bauunternehmer in La-Chaux-de-Fonds. Darauf folgt ein Kapitel über Franz Joseph Roeckle (1802–1879). Ursprünglich als Müller und Säger arbeitend, widmete sich Roeckle zunehmend der Holzwirtschaft. Er ist der Gründer der heutigen Firma Roeckle AG. Veronika Marxer stellt als letzten klassischen Gemischtwarenladen in Vaduz den «Böchel Lada» vor. Dieser befand sich an der Landstrasse unterhalb der Ebaholz-Schule. Als Beispiel für das heutige Baugewerbe stellt die Autorin die «Gassnerbau AG» vor. Der Beitrag widmet sich abschliessend der Uhrenmacherfamilie Huber.
Volksschule in Vaduz – Identitätsbildung im Dorf
Die Vaduzerin Barbara Ospelt-Geiger, pädagogische Mitarbeiterin beim Schulamt, schrieb für das Heimatbuch einen Beitrag zur Volksschule. Dafür hatte die Autorin Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen geführt, deren Aussagen ein lebensnahes Bild von der Schule in den 1940er- und 1950er-Jahren wiedergeben. Das Gespräch mit Otto Ospelt fand bereits 1993 statt, Interviews mit den nachfolgend Genannten folgten 2015: mit Peter Beck, Emma Brogle, Rosa und Beatrice Kaufmann, Christina Laternser, Helmuth Marxer, Albertina Ospelt, Roswitha und Norman Schädler, Leo Sele und Maria Verling.
Barbara Ospelt-Geiger weist auf Besonderheiten des Schulstandorts Vaduz hin. Neben der bestehenden Volksschule im Äuli entstand 1927 ein zweiter Schulstandort im Möliholz, 1937 abgelöst durch die Ebaholz-Schule. Eine Besonderheit von Vaduz liegt auch im Umstand, dass die Kinder von Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina hier die Volksschule besuchten. Fürstin Gina hatte explizit bei den Lehrpersonen eingefordert, dass die Prinzen genau gleich behandelt werden sollten wie die anderen Kinder.
Vaduzer Lebensläufe
Band 2 des Vaduzer Heimatbuches schliesst mit einem Beitrag des Vaduzer Historikers Jürgen Schremser. Auf geführten Interviews basierend, skizziert der Autor vier Lebensläufe von Persönlichkeiten, die eine kulturelle Langzeitwirkung in Vaduz entfaltet haben. Der erste Lebenslauf ist dem im Thurgau geborenen Christoph Möhl-Blanke (1933–2016) gewidmet. Er war von 1961 bis 1980 evangelischer Pfarrer in Vaduz. Der zweite Lebenslauf befasst sich mit Lotte Meier (1932–2017), der langjährigen Präsidentin des Vaduzer Frauenvereins und Mitinitiatorin der Brockenstube. Dem in Vaduz aufgewachsenen Schweizer Heinz Mühlegg (*1953) ist der dritte Lebenslauf gewidmet. Der gelernte Radioelektriker organisierte «Diskothek-Veranstaltungen» in der alten Turnhalle in Vaduz. Daraus ging 1973 das Freizeitzentrum hervor. Der vierte Lebenslauf ist Lina Walser-Gassner (1911–1994) gewidmet, der Gründerin und langjährigen Leiterin des «Gmüeslada» Walser in Vaduz. Als dieses Lebensmittelgeschäft 1939 im Altabach eröffnete, gab es noch zahlreiche Familienbetriebe, die das Dorfleben prägten.
Resümee
Neben den gehaltvollen Beiträgen ragen im Buch die gut ausgewählten Fotos und Illustrationen heraus. Grafiker Ewald Frick fertigte Landkarten an, welche die Aussagen von Alois Ospelt zur Geschichte der Landwirtschaft in Vaduz veranschaulichen. Allen Leserinnen und Lesern, die an Dorf- und Gemeindegeschichte interessiert sind – auch über Vaduz hinaus –, können das vorliegende VaduzerHeimatbuch und der Sonderdruck «Vaduzer Landwirtschaft» sehr empfohlen werden.
Buch-Bestellungen beim Verein für Vaduzer Heimatkunde,
Tel. +423 232 56 43, sowie im liechtensteinischen Buchhandel.