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60Plus | Im Blickpunkt | Dezember, 2019
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Alles Plastik – Und wie weiter?

von Johann Ott

Es gibt nicht nur das eine Umweltproblem, meint auch unser Gastautor und lenkt des Lesers Aufmerksamkeit auf Plastik. Dieses ist, wie er belegt, keineswegs nur ein Übel.

Unsere Welt schwingt in Perioden. Diese Phasen kommen und gehen, sie schwanken politisch von links nach rechts und bewirken zuweilen auch Änderungen. Die derzeitige Phase ist aber dennoch speziell. Zur selben Zeit, in der die politischen Rechtsparteien Siege feiern, macht ein schwedisches Teenagermädchen die Welt mit Klimawandel und Umweltschutz verrückt. Momentan herrscht wieder Endzeitstimmung. Am Schlepptau dieses Medienrummels hängen eine Vielzahl von bekannten Umweltproblemen, darunter auch die leidige Vermüllung von Land und Wasser mit Plastikabfällen. Das ist tatsächlich ein sehr ernstes Problem. Was werden die vorgesehenen Verbote bewirken? Werden wir aus dem Desaster hinausfinden?

Die Vorplastik-Zeit

Wir, die ältere Generation, reflektieren und denken zurück an die «Vorplastik-Zeit». Wir erinnern uns an die Zeit, als es Plastik noch gar nicht gab, also zurück in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts. Kunststoffe gab es in Form von Bakelit und Cellophan. Schokolade und «Morenköpfe» waren in Stanniol verpackt. Lebensmittel wurden offen in Papiertüten («Schamötz») verkauft oder waren in Papier fertig verpackt, zum Teil auch in Pergamentpapier. In den Haushalten wurde an Verpackungsmaterial gespart. Alles wurde sorgfältig aufbewahrt: Papiersäcke, Schachteln, Packpapier, Geschenkpapier, Gummiringe, Schnüre etc. Alles hatte seinen festen Platz zur Aufbewahrung. Was nicht mehr gebraucht wurde und brennbar war, wurde in den Öfen der Haushalte verbrannt. Essensreste gab es kaum, weil alles aufgegessen wurde und organische Abfälle gelangten auf die Miststöcke und Komposthaufen. Kleidung wurde getragen, geflickt und weitergegeben, aber nicht weggeworfen. So gab es nur ganz wenig Abfall. Das Wenige konnte man in beliebigen Behältnissen an den Strassenrand stellen. Der Abfallwagen nahm es mit. Das war in Vaduz ein dreirädriger Wagen mit geschlossenem Aluminiumaufbau mit oben zwei Einwurföffnungen. Er wurde von zwei Pferden gezogen und wenn er voll war, fuhr er zum «Krümpelhaufen» am Rhein, südlich des Fussballplatzes. Diese kleine Abfallhalde brannte ständig und stank mit dem typischen Gestank, den Abfall damals hatte.

Hausaufgaben gemacht

Zu Beginn der Sechzigerjahre, als es Plastiksäckle und -verpackungen bereits gab, diese immer mehr wurden und die Leute zunehmend in Wohnblocks zogen, wo gewisse Entsorgungen im häuslichen Umfeld nicht mehr möglich waren, verlangten die Zustände an den Abfalldeponien eine andere Lösung; man fand sie schliesslich mit der Müllverbrennungsanlage in Buchs. 

Natürlich erzeugt alles, was verbrannt wird CO2und das ist bekanntlich nicht gut. Dennoch, wir verbrennen nur, was nicht recycelt werden kann und nutzen noch dazu die gewonnene Energie.

Wenn man alle Anstrengungen betrachtet, die seither mit unserer Abfallentsorgung unternommen wurden, sorgen wir heute vergleichsweise gut für unsere Umwelt. Können wir also die Hände in den Schoss legen und sagen: wir haben alles richtig gemacht? Natürlich erzeugt alles, was verbrannt wird CO2und das ist bekanntlich nicht gut. Dennoch, wir verbrennen nur, was nicht recycelt werden kann und nutzen noch dazu die gewonnene Energie. Alles andere wird in den Entsorgungszentren der Wiederaufbereitung zugeführt. Trotzdem, wir sind die Generation, die zur modernen Industriegesellschaft mit ihrem überbordenden Konsumverhalten geführt hat.  

Im Überfluss

Auch von uns in Liechtenstein gelangen Waren in ferne Länder, wo sie unserer Obhut entgleiten. Wohin geht zum Beispiel unsere alte Kleidung mit der Kleidersammlung oder wohin gelangen die Faserreste aus Wasch- und Trocknungsgeräten? Wir stellen Produkte her, die anderswo gebraucht, verbraucht und entsorgt werden. Wir entsorgen massenhaft Geräte aller Art, weil wir im Überfluss leben und stets das Neue lockt. Aber die Ozeane sind mit Plastikabfällen überlastet und in vielen Gebieten herrschen auch an Land untragbare Zustände mit Müllbergen, die hauptsächlich aus Plastik bestehen. Kurzum, wir sind die Überfluss- und Konsumgesellschaft, die unverhältnismässig Ressourcen verbraucht. Warum kennen wir keine Mässigung? Wie kann man die Abfallflut eindämmen?

 

Tatsächlich kennen wir keine innere Stimme, die uns Mässigung gebietet. Unsere Gene sorgen für Nahrung, Fortpflanzung und erfolgreichen Konkurrenzkampf. Die Nachsorge erledigt in der Evolution die Natur, die bekanntlich keinen Abfall kennt. Wir schützen und sichern zwar unser direktes Umfeld, die globale Vorsorge überlassen wir aber gerne dem Nebel der Unendlichkeit, der je nach Einflussnahme und Sichtweise recht dicht sein kann. So handeln wir an der Sichtgrenze dieser Nebelschwade recht indifferent, weil wir uns schwer tun in der Abwägung des eigenen Vorteils gegenüber ethischer Verantwortung.

Wertvolles recyceln

Um eine Richtungsänderung zu erwirken, kann man die Verfügbarkeit einschränken und mit Vorschriften und Sanktionen versuchen, das Verhalten zu lenken. Kunststoffe sind aber im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zu einer fast unendlichen Verwendungsvielfalt gelangt. Die Vielzahl der entwickelten Materialien, die Variation ihrer Eigenschaften und Verarbeitbarkeit gibt ihnen ein schier unendliches Einsatz- und Anwendungspotential. Die Verfügbarkeit der Kunststoffe ist derart universell, dass eine Eingrenzung kaum vorstellbar ist. Trotzdem wird versucht, die Verfügbarkeit einzuschränken, indem vorgesehen ist, gewisse Einwegprodukte wie Tragtaschen, Trinkbecher etc. nicht mehr zuzulassen. Doch im gigantischen Ausmass weltweiter Müllberge sind solche disziplinarische Eingriffe nur hilflose Schulmeisterspiele. Die Einschränkung der Verfügbarkeit mag das Wachsen der Müllberge mit enorm viel Aufwand vielleicht etwas verlangsamen, aber ganz sicher nicht zum Verschwinden bringen. Wirklich in den Griff bekommt man das Problem der Abfallentsorgung nur, wenn die Abfälle weltweit konsequent gesammelt und zuverlässig der Wiederaufbereitung oder in letzter Konsequenz der Verbrennung und Endlagerung zugeführt werden. Tatsächlich aber legen Müllfrachten gigantische Wege rund um den Globus zurück, ermöglicht und angetrieben von einem Cocktail aus Verantwortungslosigkeit, Gesetzeslücken und krimineller Energie. 

Von Altlasten zu Ressourcen

Doch auch die positive Energie schreitet voran und hier trägt unser Land einen wichtigen Anteil bei. Wir haben ein hervorragendes Bildungssystem und zusammen mit unseren Nachbarstaaten Schweiz und Österreich vernetzen und optimieren wir unser Ausbildungsangebot gegenseitig in ständiger Entwicklung. Wir fördern den Wissensdurst und regen zu Innovationen und Verantwortung an. Abfälle sind Wertstoffe, die es zu nutzen gilt. Die Wiederaufbereitung und Entwicklung von Materialkreisläufen bietet noch reichhaltig Potential für Forschung und Entwicklung. Wir schreiten ständig voran mit neuen Techniken und Geschäftsfeldern, die Altlasten zu Ressourcen verwandeln. Auch das ist ein Vermächtnis unserer bald gestrigen Generation. Ihr folgen auch wieder kluge und verantwortungsbewusste Menschen, die Mittel und Wege finden werden, das Problem in den Griff zu bekommen.