Alt werden, eine schöne Zeit, es tut nicht weh!
Walburga ist in der Britschenstrasse in Mauren zusammen mit neun Geschwistern aufgewachsen. Sie musste schon früh in der grossen Familie mithelfen. Walburga ist bereits in jungen Jahren auf eigenen Füssen gestanden und wusste, was sie wollte. Nach der Volksschule und drei Jahren in einem Haushalt in Mauren ging sie für zwei Jahre nach London, um Englisch zu lernen.
Nach der Heirat mit Gerold Matt im Jahre 1974 widmete sie sich voll und ganz der Familie und den drei Kindern. Ihr lieber Mann Gerold ist bereits 2010 gestorben.
Im Jahre 2003 wurde Walburga Matt in den Gemeinderat von Mauren gewählt, wo sie bis 2011 tätig und für das Ressort Kultur zuständig war. Dabei war vor allem die Kulturgütersammlung eine Herzensangelegenheit von ihr und ist es bis heute. Es ist das grösste volkskundliche Museum des Landes im Mehrzweckgebäude in der Industriestrasse 28 in Mauren. Darauf ist Walburga sehr stolz.
Ihr grösstes Hobby ist das Malen, das sie seit circa 30 Jahren mit viel Liebe und Begeisterung betreibt. Walburga ist ein Familienmensch und hat am liebsten, wenn alle ihre Lieben um sie geschart sind. Sie geniesst die schöne Zeit des Altwerdens, sie fühlt sich frei. Das Alter tut ihr nicht weh!
Werner Ospelt von 60PLUS hat sich mit Walburga Matt in ihrem schönen Zuhause am Weiherring unterhalten.
Auf die Frage, ob ihre Familie auch einen Hausnamen habe, sagt Walburga, dass man ihnen früher «Bascha Wältes» und «dr Kassiara Hugile» oder dem Vater «dr Himmel Hugo» sagte, weil der das Wort «Himmel» immer wieder in den Mund nahm.
Walburga ist als zweitälteste Tochter von Hugo und Rosa Ritter, geborene Bühler aus Mauren, auf die Welt gekommen. Von den neun Geschwistern leben noch acht: Walburga (geb. 1948), Karl, Christine, Paula, die Zwillinge Ilga und Myrtha, Helmut, Daniela und Manfred der Jüngste (geb. 1963). Loretta, die Älteste, ist mit 40 Jahren gestorben. Auf die Frage, ob ihre Familie auch einen Hausnamen habe, sagt Walburga, dass man ihnen früher «Bascha Wältes» und «dr Kassiara Hugile» oder dem Vater «dr Himmel Hugo» sagte, weil der das Wort «Himmel» immer wieder in den Mund nahm. Ein interessantes Detail: In Mauren gab es drei Familien Hugo Ritter und alle drei hatten zehn Kinder. Vater Hugo Ritter, geboren 1924 (gestorben 2003), war Schlosser von Beruf und hat bis zu seiner Pensionierung in der «Presta» in Eschen gearbeitet. Die ersten Jahre ist er mit dem Rad und später mit dem Moped zur Arbeit gefahren, als er sich ein solches leisten konnte. Um die grosse Familie gut zu ernähren, hatten sie zusätzlich zum Verdienst von Vater Hugo einen grossen Gemüsegarten und jedes Jahr ein Schwein zum «Metzgen» und etwa ein Dutzend Hühner. So kamen nicht nur «Riebel» und «Grumpiera» auf den Tisch, sondern ab und zu auch Schweinefleisch. Und Mama Rosa besserte das Haushaltgeld mit Heimarbeit zusätzlich auf. Sie war immer für die Kinder da und ist es bis heute noch mit ihren 94 Jahren. Walburgas jüngere Schwester Paula lebt seit fünf Jahren bei der Mama im Elternhaus an der Britschenstrasse und sorgt dafür, dass es der Mama gut geht.
Walburga erzählt …
Man kann sich gut vorstellen, dass das Elternhaus von Walburga an der Britschenstrasse, das nicht gross war, mit zehn Kindern sowie Vater und Mutter voll bis unters Dach war; und es muss oft wild zu und her gegangen sein. Walburga schildert den Zuwachs in der Familie Ritter so: «Als Zweitälteste habe ich erlebt, dass fast alle Jahre eine Schwester oder ein Bruder auf die Welt gekommen ist. Und weil die Mama zu Hause geboren hat, ist die Hebamme bei uns ein und aus gegangen. Nachdem ich schon ein paar Geschwister gehabt habe, ist die Hebamme wieder einmal gekommen mit dem Köfferli. Da habe ich die Türe aufgemacht und die Hebamme gefragt, ja warum sie wieder mit dem Köfferli zu uns komme. Da sagte sie: «Ja, ich habe der Mama wieder ein Kind gebracht. Du hast wieder ein Geschwisterlein bekommen.» Da war ich ganz enttäuscht und sagte zu ihr: «Warum bringst du alle Kinder zu uns. Geh doch einmal zum Juli Matt, der zwei Kurven weiter oben wohnt, der hat kein Kind. Wir haben schon genug.»
Walburga erzählt eine andere Kindheitsgeschichte: «Wir hatten wenig Spielsachen und mit diesen haben wir gespielt bis sie kaputt waren. Dann haben wir oft Gerätschaften genommen, die wir eigentlich zum Arbeiten im Riet gebraucht haben. Und weil wir so einen schönen Büchel hinter dem Haus hatten, sind wir mit dem «Leiterawägele» zuoberst hinauf auf den Kreuzbüchel (Krüzböhel), haben ein Brett auf das «Wägele» gelegt; der Bruder war der Steuermann und hat die Deichsel gehalten. Zu dritt sind wir oben auf dem «Wägele» eng zusammen gehockt und dann im Schuss den Büchel hinunter. Das ist aber nicht lange gut gegangen. Etwa in der Hälfte vom Büchel ist das «Wägele» umgekippt und wir darunter. Gott sei Dank sind wir mit «Schwiala» davongekommen. Zum Glück ist auch dem «Kärile» nichts passiert. Denn das war unsere grosse Sorge. So konnten wir es wieder ganz und heimlich ins Tenn zurückstellen, damit man ja nichts merkt.»
Auf die Frage, ob es früher schöner war oder heute, meint Walburga:
«Für mich war es früher schön. Wir haben im Freien herumgetobt, auf der Strasse Völkerball gespielt. Das geht heute nicht mehr. Heute sind die Kinder vor dem Fernseher, mit Handys beschäftigt, aber erfreulicherweise viele auch in Vereinen und treiben Sport. Früher gab es auch nicht so viel Verkehr, im Bretscha sowieso nicht, wo ich aufgewachsen bin. Heute ist eine andere Zeit…»
Die Zeit des Aufwachsens …
Walburga Ritter ist in den 1950er Jahren an der Britschenstrasse in Mauren aufgewachsen und sie erinnert sich: «Als Zweitälteste war ich schon als Kind gewohnt, der Mama zu helfen und habe auf die jüngeren Geschwister aufgepasst. Schön war es für mich, wenn ich im oberen Britschen zur Kinderaufsicht oder zur Mithilfe bei Feldarbeiten ins Riet gerufen wurde. Entweder gab es 50 Rappen oder den heiss ersehnten «Mohrenkopf» mit einem «Bürle» als Taglohn. Später dann im Alter von elf Jahren war ich Kindsmagd bei einer Familie auf Berg in Mauren, drei Jahre lang vom Frühling bis in den Herbst. Das war eine schöne Zeit…»
Walburga konnte bereits schreiben, als sie in die Volksschule kam, da sie immer ihrer älteren Schwester Loretta zugeschaut hat. Als Linkshänderin musste sie jedoch von links nach rechts umlernen. Dabei hat ihr der erste Lehrer in der Volksschule, Hubert Schreiber, sehr viel geholfen. Ihre anderen Lehrer waren Egon Meier und Roman Matt. Sie wäre auch gerne in die Realschule nach Eschen, aber die Eltern hatten für die extra Schulbücher, eine Schreibmaschine und ein Fahrrad das dazu notwendige Geld nicht.
«Ich war dort sehr gerne, hatte es gut mit den Kindern und habe viel gelernt: gut kochen, die Hausarbeit und ich konnte auch im Laden mithelfen.»
Nach Abschluss der achten Klasse Volksschule ist Walburga Ritter in den Haushalt der Metzgerfamilie Gustav Kaufmann gekommen. Sie hatten vier Kinder, der Jüngste kam 1963 auf die Welt, als sie dort arbeitete. Walburga erinnert sich an diese Zeit gerne zurück: «Ich war dort sehr gerne, hatte es gut mit den Kindern und habe viel gelernt: gut kochen, die Hausarbeit und ich konnte auch im Laden mithelfen. Ich bin bei der Familie Kaufmann gut aufgenommen worden wie ein eigenes Familienmitglied und bin drei Jahre geblieben. Ich betrachte diese Zeit rückblickend als eine gute Grundausbildung und eine Art Lebensschule.»
London, Kraus Thomson, Nendeln und die Liebe …
Mit gerade einmal 19 Jahren entschloss sich Walburga Ritter für ein Jahr zu einem Sprachaufenthalt nach London zu gehen. Gesagt, getan! Es wurden dann zwei Jahre daraus. Sie hätte sich fast für die Bleibe in England entschieden. Aber dann packte sie das Heimweh und sie ist wieder nach Hause gekommen an die Britschenstrasse nach Mauren. Sie arbeitete dann beim amerikanischen Verlag Kraus Thomson in Nendeln im Büro. Auf meine Frage, wie sie ihren Mann Gerold Matt kennengelernt habe, sagt Walburga: «Meinen späteren Mann habe ich 1973 kennengelernt. Sein Vater Emilian Matt hat im Zentrum von Mauren einen Laden für Haushalt- und Eisenwaren betrieben und da habe Teller für meine Aussteuer gekauft. Und da ist es passiert, dass mir eines schönen Tages der Gerold im Laden gegenüber gestanden ist und das Geschirr, das ich bestellt habe, zusammengestellt und verkauft hat. So kam es zur ersten Begegnung und daraus wurden dann immer mehr Begegnungen. Wir verliebten uns, heirateten im Januar 1974 und zogen ins neu erbaute Haus im Weiherring 322, wo ich heute noch wohne.»
Dann sind Roger, Jeanette (mit Down Syndrom) und Dominik auf die Welt gekommen. Walburga hat sich voll und ganz der Familie gewidmet und sie sagt: »Meine Tochter und meine beiden Söhne, die Schwiegertöchter Pascale und Regina sowie die drei Enkelkinder Valentin, Arsen und Angelina sind das Allerwichtigste in meinem Leben. Ich habe es am liebsten, wenn alle um mich herum geschart sind.»
Leider ist ihr lieber Mann Gerold bereits 2009 gestorben. Er hat eine grosse Lücke hinterlassen.
«MuseumMura», das grösste volkskundliche Museum in Liechtenstein
Als die Familienaufgaben nicht mehr so gross waren, hat Walburga eine neue Herausforderung angenommen und hat sich der Gemeinde als Gemeinderätin zur Verfügung gestellt. Sie wurde 2003 in den Gemeinderat gewählt und übernahm das Ressort Kultur. Sie war bis 2011 Mitglied des Gemeinderates.
Walburga Matt: «Das war ein sehr schönes Ressort, für das ich mich gerne eingesetzt habe. Ich hatte gute Kommissionsmitglieder und wir haben viel bewegt in dieser Zeit. Worauf ich besonders stolz bin, ist die Kulturgütersammlung der Gemeinde, die wir 2006 ins neu erbaute Mehrzweckgebäude in die Industriestrasse 28 in Mauren umgesiedelt haben und der Öffentlichkeit zugänglich machen konnten.»
Diese Sammlung hat sich zum grössten volkskundlichen Museum im Land entwickelt und wird jährlich von vielen Interessierten besucht.
Diese Kulturgütersammlung ist einmalig für Liechtenstein und zeigt das Alltagsleben unserer Vorfahren bis 200 Jahre zurück. Diese Sammlung hat sich zum grössten volkskundlichen Museum im Land entwickelt und wird jährlich von vielen Interessierten besucht. Die Leute und Gruppen kommen aus Vorarlberg, der Schweiz und natürlich aus Liechtenstein.
Walburga meint: «Heute präsentiert sich das «MuseumMura» als das vielfältigste Dorfmuseum Liechtensteins mit rund 10 000 Gütern, die Einblick in das Dorfleben vergangener Zeiten geben. Wer das «MuseumMura» nicht kennt, hat etwas verpasst und sollte das nachholen, es lohnt sich.»
Walburga Matt hat 2018 den Vorsitz vom «MuseumMura» abgegeben, ist sozusagen in Pension gegangen; sie ist aber immer noch für das Museum tätig und hilft mit.
Malen, ein Hobby, das Walburga Matt mit viel Leidenschaft betreibt
Die Lieblingsbeschäftigung von Walburga ist das Malen. Sie hat vor circa 30 Jahren damit angefangen und betreibt dieses Hobby seither leidenschaftlich. Sie hat im Untergeschoss ihres Hauses ein Atelier eingerichtet und malt Aquarell- und Acrylbilder vor allem mit Blumen- und Landschaftsmotiven.
Walburga Matt macht von ihrer Malkunst nicht viel Aufhebens und hat mir erst am Schluss des Interviews davon erzählt. Sie hat noch nie eine eigene Ausstellung gemacht.Es ist jedoch ihr Plan, einmal ihre Bilder auszustellen und der Öffentlichkeit zu zeigen. Walburga geht wöchentlich am Dienstagnachmittag in eine Malgruppe. Beim Malen kann sie sich sehr gut entspannen. Sie sagt: «Malen, das ist ein sehr schönes Hobby für mich.»
Alt werden, was kommt Dir da in den Sinn?
Walburga sagt dazu folgendes: «Ich habe das 70ste Lebensjahr überschritten, ich bin im 72sten. Es ist für mich eine schöne Zeit. Ich habe überhaupt kein Problem damit, ich fühle mich wohl. Ich habe Freiraum, die Kinder sind erwachsen. Sie bringen mir die Enkelkinder und ich habe es am liebsten, wenn meine ganze Familie so viel als möglich um mich herum ist. Ich geniesse meinen jetzigen Stand, wo ich mir Zeit lassen, die Kinder und Enkel geniessen kann und wenn ich am Abend müde bin, gehen sie alle wieder nach Hause und ich habe meinen Frieden.
Ich fühle mich auch gar nicht so alt. So lange alles gut läuft merke ich das Alter gar nicht, es tut nicht weh.»
Was bedeutet Dir Mauren?
Walburga Matt sagt kurz und bündig: «Mauren ist meine Heimat, hier lebe und wohne ich. Ich habe meine Familie da. Es ist der schönste Ort.»
Was bedeutet für Dich 300 Jahre Liechtenstein?
Walburga Matt: «Das ist eine ganz lange Geschichte und ich kann nur so weit zurückblicken, als ich diese Zeit selbst erlebt habe. Es ist sicher eine schwere Zeit gewesen für unsere Leute von damals und bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich bin immer wieder erstaunt, was das kleine Land, ein Bauernland, wo die Leute arm gewesen sind, wie sich das entwickelt hat zum wirtschaftlich reichsten Land der Welt. Das finde ich unglaublich grossartig. Es gibt aber auch negative Seiten.
In diesem Zusammenhang finde ich das Fürstenhaus für unser Land sehr wichtig, Ich könnte es mir gar nicht wegdenken, wenn wir keinen Fürsten hätten. Wir wären ein Vorort von Feldkirch, glaube ich, nicht grösser und sicher unbedeutend, viel weniger bedeutend als mit dem Fürsten und seinem Weitblick, wo er uns hingesteuert hat.»
Auf die Zukunft angesprochen, meint Walburga Matt, dass sich das Land immer mehr zu einem Stadtstaat entwickelt. Sie hofft, dass das nicht so schnell geht und danit alles Grüne und Ländliche verschwindet.
Zum Schluss habe ich Walburga Matt gefragt, über was sie sich am meisten freue?
Walburga Matt: «Am meisten freut mich, dass ich gesund und «zwäg» bin und das ich mit meiner Familie zusammen sein kann und in dem schönen Mauren und Land wohnen darf. Das macht mich froh und glücklich. Ich bin zufrieden dabei!»
60PLUS dankt Walburga Matt für den interessanten Einblick in ihr Leben und wünscht ihr und der Familie frohe Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr!