Gastbeitrag von Renate Wohlwend, Schellenberg,
Präsidentin Liechtensteiner Seniorenbund
60PLUS hat Renate Wohlwend eingeladen, einen Gastbeitrag zur «Lebenssituation der älteren Frauen und Männer in Liechtenstein» zu schreiben. Zum Zeitpunkt des Schreibens ihres Beitrages im März, sind infolge der Corona Krise die sozialen Kontakte in Liechtenstein auf das absolute Minimum eingeschränkt worden. Renate Wohlwend schreibt: «Obwohl ich mich persönlich als gesund und fit fühle, halte ich mich als Zugehörige zur Risikogruppe der 65plus-Bewohner unseres Landes strikte an die Empfehlungen der Regierung. Diese werden bei gewissenhafter Befolgung helfen, den Verlauf der Infektionskurve flach zu halten, sodass die medizinische Versorgung gewährleistet werden kann.» Die Bevölkerung hat sich offensichtlich daran gehalten, sodass die Infektionsrate niedrig gehalten werden konnte und zum jetzigen Zeitpunkt die ersten Massnahmen bereits wieder gelockert wurden.
Renate Wohlwend:All die für mich persönlich wichtigen und gerne praktizierten Gewohnheiten des üblichen Tagesablaufs sind auf Eis gelegt: generationenübergreifend gemeinsam aktiv zu sein, einen Schwatz vor dem Dorfladen oder am Gemeindeplatz zu halten, mit Händedruck oder einer Umarmung zu begrüssen … alles nicht erlaubt: es gilt ein ernstzunehmender Ausnahmezustand.
Es wäre für uns alle wünschenswert, wenn zum Zeitpunkt der Verteilung dieses Artikels bereits wieder Normalität eingekehrt ist – dann mögen meine einführenden Worte «Schnee von gestern» sein und wir uns glücklich schätzen, die Tage und Wochen der Sorge und Anspannung gesund überstanden zu haben.
Nicht allen Seniorinnen und Senioren geht es im Alter gut!
Ja, wie geht es uns Männern und Frauen im Seniorenalter? «Uns geht´s gut» sage ich spontan, aber in meiner Rolle als Präsidentin des Liechtensteiner Seniorenbundes (LSB) sind mir auch viele weniger erfreuliche Einzelschicksale bekannt. Während die Mehrzahl der Rentnerinnen und Rentner den Ruhestand bei guter Gesundheit und mit viel Unternehmungsgeist teils sogar bis ins Greisenalter geniessen kann, müssen sich manche Senioren und Seniorinnen aus unterschiedlichen Gründen bescheiden. Die einen können wegen Krankheit oder körperlicher Gebrechen, die anderen aus finanzieller Not nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Diesen Menschen darf und muss geholfen werden. Seitens des LSB sind wir bemüht, über die Seniorenkommissionen der Gemeinden Zugang zu diesen Betroffenen zu finden.
Vielfach zieht sich ein alter Mensch zurück, meist nach Verlust des Ehepartners oder wegen eines sonstigen Schicksalsschlages. Ihn aufzufangen oder aus seinen vier Wänden herauszuholen, sollte uns Gesunden, Fröhlichen ein selbstverständliches Anliegen sein!
Manchmal ist man unentschlossen, zurückhaltend oder aber auch zu bequem, um hinauszugehen und mitzumachen. Fühlen Sie sich ertappt?
Die einzelnen Gemeinden, LAK, Familienhilfe und «mein» Verein LSB haben eine breite Palette von Freizeitangeboten; da sollte jede und jeder etwas Passendes finden und dabei durch das Kennenlernen von Gleichgesinnten auch noch Freude und Spass daran haben. Manchmal ist man unentschlossen, zurückhaltend oder aber auch zu bequem, um hinauszugehen und mitzumachen. Fühlen Sie sich ertappt? Dann bitte ich Sie um Courage und Mut! Ich bin überzeugt, dass auch Sie gut Anschluss finden und angenommen werden, genauso wie Sie sind!
Gesunde Alte seien unternehmungslustig; doch sehr oft verbringen sie viele Stunden, mitunter ganze Tage damit, ihre Enkel zu hüten und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, damit deren Eltern berufstätig sein können. Ich kenne persönlich viele Fälle, in denen Jungsenioren ihre greisen pflegebedürftigen Eltern unterstützen. Diese Tatsachen des sozialen Engagements in der eigenen Familie, mitunter auch als freiwillig oder ehrenamtlich Tätige zum Wohle anderer Senioren sollten wir denen vor Augen führen, die die ältere Generation als Kostenfaktor im Sozialsystem geringschätzen. Die heutigen Ruheständler haben mit Hand und Kopf in jahrzehntelanger Tätigkeit ihren Beitrag zum heutigen wirtschaftlichen Wohlstand im Land geleistet. Die älteren Menschen sind ein wichtiger, wertvoller Teil unserer generationendurchmischten Gesellschaft.
Wir brauchen keinen Dank, wünschen uns aber Respekt
Wir Alten brauchen keinen Dank für unsere Leistungen, aber wir wünschen uns Respekt. Und das nicht nur von unseren Mitmenschen in der Zivilgesellschaft, sondern auch und insbesondere von der Politik! Wir dürfen dankbar sein für das gute Funktionieren unseres Sozialsystems, wo in den letzten Jahren viele Änderungen und Neuerungen zum Wohl der Senioren erfolgt sind. Jedoch hat unsere Generation auch Verzicht geleistet, als es um die Sanierung des Staatshaushaltes ging. Die Lebenshaltungskosten sind seither nicht billiger geworden. Der Kostenindex mag in etwa gleich geblieben sein, aber für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt mit der AHV-Rente bestreiten müssen, bleibt am Monatsende nicht viel im Portemonnaie.
Liechtenstein ist gut aufgestellt, wie gerade die jüngsten Debatten zum Thema der AHV-Sicherung gezeigt haben. Wir sprechen über eine Sicherung der AHV-Renten in 20 Jahren.
Es wäre an der Zeit, die AHV-Rentenzahlungen anzuheben. Die Mittel dürften vorhanden sein. Liechtenstein ist gut aufgestellt, wie gerade die jüngsten Debatten zum Thema der AHV-Sicherung gezeigt haben. Wir sprechen über eine Sicherung der AHV-Renten in 20 Jahren. Ein dabei zitiertes versicherungstechnisches Gutachten prognostiziert, dass selbst dann unsere Renten auf weitere 4 Jahre gesichert seien.
Einander Zeit schenken, Gutes tun …
Die älteren Frauen und Männer im Land dürfen zu Recht eine glückliche, zufriedene Generation sein. In ihrem Glück und ihrer Zufriedenheit mögen sie aber auch an jene Altersgenossinnen und -genossen denken, denen es weniger gut geht. Abwechslung zu erleben tut gut und Schenken macht einem selbst Freude – so empfinde ich! Warum also nicht einem oder einer Anderen Zeit schenken, ihn oder sie zum Beispiel zum gemeinsamen Laufen einladen und dadurch aus der Einsamkeit holen? Warum nicht sich selbst etwas Gutes tun, indem man eine alleinstehende schüchterne Person zur Teilnahme an einem der zahlreichen Angebote für Seniorinnen und Senioren motiviert?
Es liegt an jedem von uns älteren Menschen, das Beste aus seinem Lebensabend zu machen. Seien wir aufmerksam in unserem Umfeld, unserer Nachbarschaft und im Dorf, helfen wir einander, sodass sich alle aus unserer Altersgruppe in der ihnen eigenen Art am gesellschaftlichen Leben in Liechtenstein erfreuen dürfen.
Renate Wohlwend ist in Niederösterreich aufgewachsen und studierte in Wien und Linz Rechtswissenschaften. Sie war Abgeordnete im Liechtensteinischen Landtag und von 2009 bis 2013 Landtagsvizepräsidentin. Heute geht Dr. Renate Wohlwend einer reduzierten beruflichen Tätigkeit als Juristin nach und ist Präsidentin im Vorstand des Liechtensteiner Seniorenbundes.