Gastbeitrag von Dr. Mauro Pedrazzini
Dr. Mauro Pedrazzini hat bereits im Dezember 2019 bekanntgegeben, dass er bei der Landtagswahl 2021 nicht mehr als Regierungsrat kandidieren werde. Er war während der acht Jahre seiner Regierungstätigkeit für das 2013 neu gegründete «Ministerium für Gesellschaft» zuständig. Darunter fallen auch die für die ältere Generation wichtigen Ressorts Soziales und Gesundheit. Im letzten Jahr wurde die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zur wichtigsten Herausforderung von Regierungsrat Dr. Mauro Pedrazzini und der gesamten Regierung. Wir danken Mauro Pedrazzini für die Beantwortung der Fragen, die wir ihm gestellt haben und für die Informationen zu den Covid-19-Impfungen in Liechtenstein. Er hat die von der Regierung eingesetzte Task Force zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie kompetent geleitet. Die Regierung hat gut und transparent informiert. Wir wünschen Dr. Mauro Pedrazzini für die Zukunft alles Gute!
Fragen an Dr. Mauro Pedrazzini
Wenn Sie die letzten acht Jahre Ihrer Regierungstätigkeit Revue passieren lassen: Welches waren die grössten Herausforderungen, mit denen Sie sich in Ihrem Ministerium zu befassen hatten?
Das Ministerium für Gesellschaft umfasst drei Bereiche: Gesundheit, Soziales sowie Familie und Chancengleichheit. Wir haben uns vor acht Jahren in jedem Bereich ein wichtiges Kernprojekt ausgesucht, das wir mit hoher Priorität verfolgen wollten. Im Bereich der Gesundheit war damals ein extrem hohes Kostenwachstum zu verzeichnen. Wir mussten eingreifen, nicht zuletzt auch mit gesetzlichen Massnahmen. Diese waren sehr umstritten und es kam zu einer Volksabstimmung, die letztlich positiv ausging. Im Bereich Soziales war eine AHV-Revision fällig, mit welcher die langfristige finanzielle Stabilität der AHV verbessert werden konnte. Diese Revision konnte erfolgreich umgesetzt werden und es konnte ein Verfahren mit klaren Kennwerten gesetzlich festgelegt werden, wie sich die Politik regelmässig mit der finanziellen Stabilität der AHV befassen und diese gegebenenfalls verbessern muss. Die von der Regierung vorgeschlagenen Massnahmen zur langfristigen Sicherung der finanziellen Stabilität der AHV fanden im Dezember-Landtag nur teilweise eine Mehrheit. Hier ist die Politik also weiterhin gefordert. Im Bereich Familie und Chancengleichheit gab es seit Jahren ein Problem mit den Kinderbetreuungsplätzen. Das System der staatlichen Subventionen war veraltet. Hier wurde ein komplett neues System geschaffen und der Landtag hat mehr Geld gesprochen, so dass der frühere Mangel heute behoben ist und die ausserhäusliche Kinderbetreuung für alle Familien leistbar ist. Im letzten Jahr wurde die Covid-19-Pandemie zum alles andere überlagernden Thema.
Sie waren für eine Reihe von Ressorts zuständig, seien es die Sozialhilfe oder die Sozialversicherung, die Gesundheit, die Familie oder Chancengleichheit. Was waren die Ziele, die Sie sich gesteckt haben?
Wir wollten immer nur wenige, aber wichtige Aufgaben anpacken und diese dann dafür mit voller Energie verfolgen. Es nützt nichts, wenn man alle Aufgaben ein bisschen anpackt, viele grosse und träge Arbeitsgruppen damit befasst, sich dann verzettelt und am Schluss nichts als einen Haufen Papier präsentieren kann.
Die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge erreichen das Rentenalter und die Lebenserwartung ist seit Einführung der AHV vor mehr als einem halben Jahrhundert sehr deutlich angestiegen.
Die AHV, das KVG und die Spitalfrage waren wichtige Interessengebiete vor allem auch der älteren Generation, mit denen Sie sich auseinandergesetzt haben. Was ist da passiert?
Die AHV ist als Umlageverfahren konstruiert, das heisst, dass die heute Erwerbstätigen einzahlen und damit die heutigen Renten finanzieren. Das funktioniert schon seit Jahren nicht mehr, weil es immer mehr Rentner gibt. Die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge erreichen das Rentenalter und die Lebenserwartung ist seit Einführung der AHV vor mehr als einem halben Jahrhundert sehr deutlich angestiegen. Einen Teil dieses Defizits gleicht der Staat aus, aber es ist auch nötig, die Beiträge der Erwerbstätigen zu erhöhen und letztlich auch das Rentenalter nach oben anzupassen. Sonst wird das Loch nicht mehr finanzierbar, auch nicht mit den hohen Reserven, welche die AHV heute besitzt.
Im Gesundheitswesen sind die Kosten bis zu meinem Amtsantritt dauernd angestiegen, im Schnitt etwa um vier Prozent pro Jahr. Wir haben dann einige zwar umstrittene, aber offenbar sehr wirkungsvolle Massnahmen ergriffen, mit denen das durchschnittliche jährliche Wachstum auf einen Bruchteil verringert werden konnte. Es ist aber eine Daueraufgabe, diese Kostenentwicklung zu verfolgen.
Es war für mich immer klar, dass wir ein eigenes Spital betreiben sollten und die Covid-19-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, dass es in Krisenzeiten sehr wertvoll ist.
Zwei Jahre vor meinem Amtsantritt wurde ein Spitalbauprojekt vom Volk abgelehnt. Das war natürlich eine grosse Hypothek. Es war für mich immer klar, dass wir ein eigenes Spital betreiben sollten und die Covid-19-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, dass es in Krisenzeiten sehr wertvoll ist. Aber wir mussten immer wieder Geld in dieses alte Gebäude stecken, damit ein qualitativ einwandfreier Spitalbetrieb möglich ist. Glücklicherweise ist es gelungen, in einer Volksabstimmung eine Mehrheit für einen Neubau zu gewinnen. Da ist das Geld viel besser investiert.
Seit einem Jahr ist die Bekämpfung des Coronavirus ein Dauerthema, die wichtigste Aufgabe und Herausforderung, mit der Sie sich zurzeit befassen müssen. Sie sind Leiter der Task Force der Regierung! Wie beurteilen Sie die Situation in Liechtenstein und die Akzeptanz der Massnahmen bei der Bevölkerung?
Wir haben in den letzten zwölf Monaten verschiedene Situationen erlebt. Im Frühjahr 2020 hat sich das Virus erstmals auch in Liechtenstein verbreitet und wir haben sehr einschneidende Massnahmen ergriffen. Diese erste Welle konnte rasch und gut abgefangen werden und die Massnahmen wurden wieder gelockert. Im Laufe des Herbsts kam dann eine zweite Welle und um Weihnachten waren unsere Fallzahlen bezogen auf die Bevölkerungszahl so hoch wie fast nirgendwo in Europa. Wir mussten dann wieder sehr strenge Massnahmen ergreifen, dieses Mal aber deutlich länger, um die Fallzahlen wieder auf ein geringes Niveau zu bringen. Die Massnahmen sind sehr belastend und einschränkend, letztlich wurde aber von einem Grossteil der Bevölkerung eingesehen, dass sie notwendig sind. Gerade in der zweiten Welle waren unsere Massnahmen im Vergleich zu anderen Ländern Europas deutlich weniger einschneidend. Nun haben wir mit den Impfungen begonnen und geben der älteren Bevölkerung Priorität, weil die Gefahren, die von diesem Virus ausgehen, besonders ältere Personen treffen.
Wie lauten Ihre nicht so guten Botschaften im Zusammenhang mit dem Coronavirus und wie Ihre guten für die Bevölkerung in Liechtenstein?
Ein Virus verändert sich im Laufe einer Epidemie, das ist normal. Schwierig wird es, wenn diese Mutationen plötzlich Eigenschaften aufweisen, die es noch gefährlicher machen, also wenn es ansteckender wird oder vorhandene Impfungen nicht mehr wirken. Derzeit scheint es so, dass die bei uns verwendeten Impfungen gegen die bei uns häufigeren Mutationen gut wirken und dass die Impfstoffe gegebenenfalls schnell adaptiert werden könnten an mutierte Varianten.
Wenn Sie eine Bilanz Ihrer acht Jahre Regierungstätigkeit ziehen, wie würde diese lauten?
Regierungsrat zu sein ist eine anstrengende, aber interessante Arbeit. Meine Bilanz ist positiv.
Covid-19-Impfungen in Liechtenstein
Seit Mitte Januar 2021 wird in Liechtenstein gegen das Coronavirus geimpft. Gegenwärtig stehen zwei Impfstoffe der Hersteller Pfizer/BioNTech und Moderna zur Verfügung. Für beide Impfstoffe sind zwei Impfungen im Abstand von drei bis vier Wochen notwendig. Bei beiden Präparaten handelt es sich um sogenannte mRNA-Impfstoffe. Dabei ist die mRNA vereinfacht gesagt die Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers und gelangt mit Hilfe winziger Fetttröpfchen in die Körperzellen. Diese stellen dann das Virusprotein her, gegen das der Körper seine Immunantwort entwickelt. Damit werden schwere Krankheitsverläufe sehr unwahrscheinlich. Zudem ist davon auszugehen, dass mit einer Impfung eine Erkrankung ganz verhindert werden kann. Nebenwirkungen treten wenige und in milder Form auf.
Zunächst wurden in Liechtenstein die Bewohnerinnen und Bewohner in den Häusern der Liechtensteinischen Alters- und Krankenhilfe (LAK), der Lebenshilfe Balzers sowie des Heilpädagogischen Zentrums geimpft. Die Impfbereitschaft der Bewohnerinnen und Bewohner war hoch. Knapp 80 Prozent haben sich impfen lassen. Parallel dazu erhielt auch das in den jeweiligen Häusern tätige Pflegepersonal die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Diese Personen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, da bei der täglichen Pflege sehr enger Kontakt zu den zu pflegenden Personen besteht. Diese Impfungen wurden in den verschiedenen Alters- und Pflegeheimen dezentral durchgeführt und konnten Mitte Februar bereits abgeschlossen werden.
Um die Wichtigkeit von Impfungen für das Personal im Gesundheitswesen zu unterstreichen, haben sich Gesundheitsminister Mauro Pedrazzini, der Leiter des Amtes für Gesundheit Peter Gstöhl, die Amtsärztin Silvia Dehler, die Präsidentin der Ärztekammer Ruth Kranz sowie der ärztliche Direktor des Landesspitals Tomas Karajan im Rahmen eines Testlaufs im Impfzentrum impfen lassen.
Ebenfalls im Februar konnten die Impfungen des exponierten Personals der medizinischen und pflegerischen Grundversorgung abgeschlossen werden. Neben den impfbereiten Ärztinnen und Ärzten sowie den medizinischen Praxisassistentinnen gehörten auch das Personal des Landesspitals und der Familienhilfe sowie die Zahnärzte zu dieser Gruppe. Um die Wichtigkeit von Impfungen für das Personal im Gesundheitswesen zu unterstreichen, haben sich Gesundheitsminister Mauro Pedrazzini, der Leiter des Amtes für Gesundheit Peter Gstöhl, die Amtsärztin Silvia Dehler, die Präsidentin der Ärztekammer Ruth Kranz sowie der ärztliche Direktor des Landesspitals Tomas Karajan im Rahmen eines Testlaufs im Impfzentrum impfen lassen. Damit setzten sie ein deutliches Zeichen für die besonders exponierten Personen im Gesundheitswesen.
Seit Mitte Februar werden die Einwohnerinnen und Einwohner in absteigendem Alter für die Impfungen berücksichtigt. Die Jahrgänge werden abhängig von der Verfügbarkeit der Impfdosen für Impfungen zugelassen und mit einem persönlichen Schreiben informiert. Zudem erfolgt die Information, für welche Jahrgänge die Impfungen zur Verfügung stehen, auch über die Medien. Die Anmeldung von Personen über 70 Jahre erfolgt telefonisch bei der Hotline in der jeweiligen Wohngemeinde. Wenn die Impfungen der impfbereiten Personen über 70 Jahre abgeschlossen sind, stehen Impfungen für die allgemeine Bevölkerung unter 70 Jahre zur Verfügung. Für sie wird ein Online-Anmeldesystem eingesetzt und Personen, welche aufgrund von Vorerkrankungen besonders gefährdet sind, erhalten bei der Terminvergabe Priorität. Ihre Durchlauchten Fürst Hans-Adam II. und Marie von und zu Liechtenstein wurden im Rahmen der Covid-19-Impfungen im Haus St. Florin ebenfalls geimpft. Sie haben das Angebot für eine Impfung gerne in Anspruch genommen, auch um ein Zeichen zu setzen, wie wichtig eine Impfung für die Entlastung des Gesundheitssystems und für eine Rückkehr zur Normalität ist.
Die Impfungen finden an einer zentralen Stelle im eigens dafür eingerichteten Impfzentrum auf dem Spoerry Areal in Vaduz statt. Das Land Liechtenstein übernimmt die gesamten Kosten für die Impfungen. Die Regierung bittet alle Einwohnerinnen und Einwohner, die sich impfen lassen können, dieses Angebot wahrzunehmen. Eine hohe Durchimpfungsrate ermöglicht die baldige Rückkehr zur Normalität. Mit einer Herdenimmunität werden zudem auch diejenigen schützt, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.