Werner Ospelt, 60PLUS, im Gespräch mit Prof. Dr. med. Lorenz Risch von der Dr. Risch Gruppe
Was sind Pfizer/BioNTech und Moderna für Impfstoffe?
Bei diesen beiden Präparaten handelt es sich um sogenannte mRNA Impfstoffe. Die Abkürzung mRNA steht für messenger Ribonukleinsäure. Dabei handelt es sich um diejenige Erbsubstanz in der Biologie, aus welcher die Zellen Proteine herstellen. Die mRNA ist in der Zelle ausserhalb des Zellkerns lokalisiert und kann nicht in das menschliche Genom eingebaut werden. Die mRNA Impfstoffe bringen nun die mRNA in Muskelzellen rund um die Injektionsstelle (in der Regel am Oberarm). Die Muskelzellen beginnen dann für ein paar Tage ein Protein, welches nur auf den SARS-CoV-2 Viren zu finden ist, zu produzieren und geben dieses in die Umgebung der Muskelzelle ab. Dort ist das Protein dem Immunsystem zugänglich und es kommt zu einer Immunreaktion gegen dieses Protein.
Es liegt auf der Hand, dass eine Impfung auf Coronavirus nur vor Erkrankung und Tod durch SARS-CoV-2 schützen kann, nicht aber gegen alle anderen Todesursachen.
Wie beurteilen Sie als Mediziner und Wissenschaftler die Sicherheit und Qualität der in Liechtenstein zugelassenen Covid-19 Impfstoffe?
In Liechtenstein kommen im Moment die beiden Impfstoffe Moderna und Pfizer/BioNTech zur Anwendung. Die Entwicklung der Impfstoffe basiert auf bewährten biotechnologischen Methoden. Unter weltweit noch nie dagewesenen Dimensionen von Mitteleinsatz, wissenschaftlichen Kollaborationen und parallelen Verfahrensschritten in der Zulassungsprozedur ist es gelungen, qualitativ hochstehende Impfstoffe innert Rekordzeit zur Verfügung zu stellen. Die beiden verfügbaren Impfstoffe wurden von der Arzneimittelbehörde Swissmedic zugelassen, was deren Einsatz in Liechtenstein erlaubt. Diese Behörde sammelt auch die Zahlen über die Wirksamkeit der Impfungen und weist diese periodisch aktualisiert transparent aus. Per 8. März gab es in der Schweiz auf knapp 1 Million verabreichte Impf-Dosen 600 Meldungen von unerwünschten Nebenwirkungen. Diese betrafen beide Impfstoffe gleichermassen und nur die Hälfte dieser Nebenwirkungen betrafen Senioren im Alter von 65 Jahren oder älter, obwohl diese Altersgruppe priorisiert geimpft wurde. Nur ein Drittel aller Nebenwirkungen wurde als schwerwiegend eingestuft. Letztlich kam es in 21 Fällen in unterschiedlichem Abstand zur Impfung zu Todesfällen nach einer Impfung. Das Durchschnittsalter dieser 21 verstorbenen Personen lag bei 85 Jahren. Eingehende Untersuchungen zeigten allerdings, dass keiner dieser Todesfälle auf die Impfung zurückgeführt werden konnte. Es liegt auf der Hand, dass eine Impfung auf Coronavirus nur vor Erkrankung und Tod durch SARS-CoV-2 schützen kann, nicht aber gegen alle anderen Todesursachen. Gesamthaft kann ich festhalten, dass die verwendeten Impfstoffe qualitativ hochstehend und sicher sind, insbesondere auch bei Senioren. Mittlerweile verfügt man national und international über eine grosse Erfahrung mit dem Sicherheitsprofil der beiden Impfstoffe.
Wie hoch ist die Wirksamkeit und was bedeutet diese?
Die Wirksamkeit dieser beiden Impfstoffe konnte in sehr grossen und sehr speditiv durchgeführten Studien nachgewiesen werden. Beide Impfstoffe führten dazu, dass geimpfte Personen rund 95 % seltener an COVID-19 erkrankt sind wie nicht geimpfte Kontrollpersonen. Es konnte auch gezeigt werden, dass eine Impfung davor schützt, dass das SARS-CoV-2 Virus auf andere Personen übertragen wird.
Was bewirkt der Impfstoff bei den Geimpften?
Der Impfstoff stimuliert das Immunsystem, dass es Abwehrmechanismen gegen das SARS-CoV-2 Virus bereitstellt. Dies umfasst die Bildung von Antikörpern, aber auch die Bildung von spezifischen sogenannt zytotoxischen T-Zellen. Schliesslich wird durch die zwei Impfungen auch das immunologische Gedächtnis für SARS-CoV-2 trainiert. Im Rahmen der Impfungen kann es als Ausdruck der Stimulation des Immunsystems auch zu Symptomen wie Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen kommen. Diese dauern allerdings nur kurze Zeit an. In meinem persönlichen Umfeld haben die Senioren die Impfung ausnahmslos ohne Symptome und Nebenwirkungen gut überstanden.
Impfen ist in der Regel nicht nur ein Akt der persönlichen Gesundheitsvorsorge, sondern stellt einen wesentlichen Beitrag der einzelnen Person zur Verbesserung der Volksgesundheit dar.
Kann die Pandemie mit der Impfung der Bevölkerung ausgerottet werden oder müssen wir damit in Zukunft leben?
Es wäre illusorisch zu denken, dass die Pandemie mit der Impfung ausgerottet werden kann. Erstens besteht keine Impfpflicht und zweitens kann eine Impfung zwar einen weitgehenden, aber nicht vollständigen Schutz vor einer Infektion leisten. Wenn sich aber weite Teile der Bevölkerung impfen lassen werden oder durch Erkrankung immun geworden sind, dann hat es das Virus sehr schwer, übertragen zu werden. Je mehr Personen sich impfen lassen, umso besser wird der (indirekte) Schutz von Personen sein, welche sich aus medizinischen Gründen nicht wirksam impfen lassen können. Impfen ist in der Regel nicht nur ein Akt der persönlichen Gesundheitsvorsorge, sondern stellt einen wesentlichen Beitrag der einzelnen Person zur Verbesserung der Volksgesundheit dar. Ich rechne damit, dass wenn die Impfaktion gut angenommen wird und viele Personen erfasst hat, es wahrscheinlich in Zukunft zwar noch sporadische Fälle mit kleineren Ausbrüchen geben wird, nicht mehr aber in pandemischem Ausmass. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, darauf hinzuweisen, dass das Impfen neben Testen und Massnahmen (z.B. social distancing, Hygiene) nur eines der wirksamen Handlungsfelder ist, damit die Pandemie unter Kontrolle gebracht werden kann.
Wie beurteilen Sie die Situation in Liechtenstein?
Nachdem die Bewohner der Altersheime und das Gesundheitspersonal mit Patientenkontakt geimpft werden konnten, hat Liechtenstein auf dem Spörry-Areal in Vaduz ein professionell geführtes Impfzentrum geschaffen, welches Vorzeigecharakter hat. Unter Einbindung auch der Ärzteschaft konnten schon viele Jahrgänge von Senioren geimpft werden. Damit hatten schon viele Personen, welche ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 haben, die Möglichkeit, das Impfangebot anzunehmen. Erfreulicherweise hat ein Grossteil der Senioren am Impfprogramm teilgenommen. Dass es noch nicht mehr Geimpfte in den jüngeren Jahrgängen gibt, hat damit zu tun, dass die Verfügbarkeit von Impfstoffen im Moment beschränkt ist. Ich gehe davon aus, dass dies ab Mai bessert, damit die Impfkapazitäten dann auch entsprechend hochgefahren werden können. Bleibt zu hoffen, dass auch die jüngeren Jahrgänge so rege Gebrauch vom Impfangebot machen wie die Senioren. Das wird massgebend dazu beitragen, dass wir als Gesellschaft baldmöglich wieder in die bekannten und «normalen» Formen der sozialen Begegnung wechseln können.
Lorenz Risch, geboren 1969, wohnhaft in Vaduz und Bern. Verheiratet mit Corina (geborene Hermann), vier Söhne im Alter von zwei bis neun Jahren. Matura Liechtensteinisches Gymnasium Vaduz, Studium und Promotion Universität Bern, Studium Public Health Harvard University, Boston. Ausbildung zum Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik sowie zum Facharzt für Innere Medizin an verschiedenen öffentlichen Spitälern in der Schweiz und Österreich. Titularprofessur Universität Bern, Privatdozent Medizinische Universität Innsbruck. Verwaltungsratspräsident und Chief Medical Officer Dr. Risch Gruppe.