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60Plus | Im Blickpunkt | August, 2021
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Die AHV-Rente wurde seit 2011 nicht mehr erhöht

Vier Meinungen dazu

In der Politik mehren sich die Stimmen, die nach 10 Jahren Stillstand eine Anpassung der AHV-Rente fordern. Vor allem bei der Generation, die eine AHV-Rente bezieht, wird der Ruf nach einer Erhöhung immer grösser und lauter. Männer und Frauen sagen ihre Meinung dazu in Leserbriefen. AHV-Direktor Walter Kaufmann kommt in seinem Gastbeitrag zur Feststellung, dass der Konsumentenpreisindex, die zurzeit gesetzliche Grundlage für eine Anpassung der AHV-Rente, die Lebensbedingungen eines/r Rentners/Rentnerin nicht präzise abbilden kann. Zudem habe der Stillstand bei der Rentenanpassung Nachteile nicht nur für die Rentner sondern auch für die heute erwerbstätige Bevölkerung.

Der Landtag wird sich im Herbst mit dieser Thematik befassen. Vor allem die AHV-Bezüger und -Bezügerinnen sind gespannt darauf, was da herauskommen wird.

Lesen Sie nachstehend die Meinungen von Christl Gstöhl, Alois Blank, Johann Ott und Hansrudi Sele, die alle darin übereinstimmen, dass eine Rentenanpassung überfällig ist, so wie sich Hansrudi Sele in seiner Stellungnahme ausdrückt. Die Redaktion würde sich freuen, wenn Sie geschätzte Leserinnen und Leser, uns Ihre Meinung mitteilen. Wir werden in der Oktober Ausgabe darauf zurückkommen.

AHV-Rentenanpassung: Wo ein Wille, da ein Weg

«Eurer Generation sind wir zu grossem Dank verpflichtet! Dank eurem unermüdlichen Einsatz geht es uns heute so gut. Ihr habt mit harter Arbeit den Grundstein für unseren heutigen Wohlstand gelegt, auf dem wir aufbauen können». Diese Worte durfte ich viele Jahre bei jeder grösseren Veranstaltung für Senioren regelmässig von unseren Politikern hören. Regelmässig wurde ich aber auch von Seniorinnen und Senioren darauf angesprochen, dass es endlich an der Zeit wäre, Worte in Taten umzusetzen, und dass es sehr vielen älteren Menschen finanziell nicht gut geht.

Liechtenstein steht im Vergleich zu unseren Nachbarn nicht gerade vorbildlich da.

Ich habe – da ich für meine Berufsausbildung 18 Jahre alt sein musste – nach meiner Schulzeit 3 Jahre in einer Fabrik in Vorarlberg gearbeitet. Für diese 3 Jahre bekomme ich aus Österreich ca. 60 Euro Rente ausbezahlt. Dieser Betrag wird jährlich um 2 Euro, das sind immerhin 3.3 %, erhöht. In Liechtenstein hat es in den letzten 10 Jahren keinen Teuerungsausgleich mehr gegeben.

Die Realität in unserem Land sieht bedenklich aus. Rund 50 % der Rentnerinnen und Rentner müssen nur mit einer AHV-Rente auskommen. Tatsache ist auch, dass in den meisten Fällen ein Betrag unter CHF 2000.- monatlich zur Verfügung steht.

«Ihnen ist eine Teilhabe an der Gesellschaft oft nur dank über lange Jahre mühsam aufgebauten Ersparnissen möglich.»

Aus meiner langjährigen Erfahrung (20 Jahre Vorsitzende der Seniorenkommission Eschen, davon 8 Jahre als zuständige Gemeinderätin und 10 Jahre als Präsidentin des Liechtensteiner Seniorenbundes) weiss ich sehr wohl, dass es auch in unserem Land ältere Menschen gibt, die sich ihren Lebensabend anders vorgestellt haben. Ihnen ist eine Teilhabe an der Gesellschaft oft nur dank über lange Jahre mühsam aufgebauten Ersparnissen möglich.

Zugegeben, es besteht die Möglichkeit zum Bezug von Ergänzungsleistungen, aber auch da sollte eine andere Lösung angestrebt werden, denn sie werden als Almosen, nicht als eine zustehende Leistung wahrgenommen.

Fakt ist, dass im Zuge der Sparmassnahmen diese Generation sehr stark betroffen wurde.

  • 2011 Entkoppelung des Staatsbeitrag an die AHV an die Höhe der Rentenauszahlungen (20 % der jährlichen Ausgaben) und Festsetzung auf 50 Mio. Franken ab 2015.
  • 2016 Reduktion des Staatsbeitrag von 50 Mio. auf
    30 Mio. Franken.
  • 2011 Ermittlung der Teuerungsanpassung auf Grundlage des Preisindexes statt des Mischindexes.
  • 2016 eine vorübergehende Aussetzung des Teuerungsausgleiches auf die Renten im Umfang von 4 %.
  • 2014 Abschaffung des Steuerfreibetrages (30 %) auf Renten aus der Pensionskasse.

Fakt ist auch, dass sich Vieles (Telefon, Wasser, Strom, Dienstleistungen, auch Grundnahrungsmittel) in den letzten 10 Jahren erheblich verteuert hat – ganz zu schweigen von den Krankenkassenprämien (bei weitem nicht alle Senioren erhalten eine Prämienverbilligung).

«Wir alle sollten uns besser darüber freuen, dass wir – auch dank des medizinischen Fortschrittes – nach der Pensionierung noch möglichst viele Jahre das Leben geniessen können.»

Am meisten bedrückt mich persönlich jedoch der Vorwurf, dass es wegen der grossen Anzahl von älteren Menschen für die Jüngeren nicht mehr reichen werde. Das lässt bei uns Älteren fast ein schlechtes Gewissen aufkommen. Wir alle sollten uns besser darüber freuen, dass wir – auch dank des medizinischen Fortschrittes – nach der Pensionierung noch möglichst viele Jahre das Leben geniessen können.

Deshalb der Aufruf an unsere Politiker: Es ist endlich Zeit zu handeln! Wo ein Wille – da ein Weg!

Christl Gstöhl

Name: Christl Gstöhl
Wohnort: Rofenbergstrasse 42, Eschen
Geboren am: 2. März 1944
Erlernter Beruf: Dipl. Hauspflegerin, Gerontologische Fachfrau SGIPA
Zivilstand: verheiratet mit Hugo, 1 Tochter, 3 Söhne, 5 Enkelkinder
Hobbys: Garten, Kochen, Backen, Reisen, Singen im Chor, Lesen

 

Die AHV in Liechtenstein steht weltweit finanziell einmalig da

Die liechtensteinische AHV mit ihren aktuell elf Jahresausgaben an Reserven steht weltweit finanziell einmalig da. Wenn wir zu unseren Nachbarländern schauen, ist dort die finanzielle Situation der Sozialversicherungen um einiges weniger rosig. Trotzdem gab es in diesen Ländern in den letzten Jahren immer wieder einen Teuerungsausgleich der Renten.

Ich denke, dass es nun wirklich an der Zeit ist, auch einmal über einen Teuerungsausgleich unserer Renten in Liechtenstein nachzudenken und zu handeln. Denn dass wir uns einen Teuerungsausgleich nicht leisten können, ist nun wirklich kein Argument, wie im Geschäftsbericht 2020 der AHV zu lesen ist.

Unsere Renten sind an den Konsumentenpreisindex gekoppelt. Nachdem der Preisindex in den letzten Jahren kaum gestiegen ist, gab es folglich in den letzten 10 Jahren keinen Teuerungsausgleich der Renten mehr. Dabei muss man auch sehen, dass der Warenkorb des Konsumentenpreisindex für die Lebenshaltungskosten der meisten Rentnerinnen und Rentner nicht wirklich repräsentativ ist.

Fakt ist, dass das Verhältnis der Rente zum früheren Lohn immer kleiner wird. Während die Löhne in den letzten Jahren gestiegen sind, wurden Renten letztmals im Jahre 2011 erhöht. Und es geht nicht um eine Rentenerhöhung, sondern nur um eine Rententeuerungsanpassung.

«Ja, es gibt Ergänzungsleistungen und andere soziale «Töpfe», von denen man Gelder beziehen könnte. Aber wenn man ein Leben lang gearbeitet und oder für die Familie gesorgt hat, ist es einfach beschämend, wenn man zugeben muss, dass man sein Leben nicht mehr finanziell selbst bestreiten kann.»

Bei dem Thema Teuerungsausgleich darf man nicht vergessen, dass es in unserem Land viele Bezüger gibt, die keine oder nur eine sehr geringe Pensionskasse haben und dadurch finanziell sehr schlecht gestellt sind. Ja, es gibt Ergänzungsleistungen und andere soziale «Töpfe», von denen man Gelder beziehen könnte. Aber wenn man ein Leben lang gearbeitet und oder für die Familie gesorgt hat, ist es einfach beschämend, wenn man zugeben muss, dass man sein Leben nicht mehr finanziell selbst bestreiten kann. Auch wenn einem die Unterstützungsgelder zustehen würden.

Ich bin jedenfalls ein Befürworter, dass den Rentnerinnen und Rentnern der Teuerungsausgleich endlich zugesprochen wird sowie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Teuerungsausleich zusteht.

Alois Blank

Alois Blank, Jahrgang 1947, seit bald 51 Jahren verheiratet mit Brigitte geborene Kaiser, zwei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder. Ehemaliger Leiter Informatik der AHV, Rentnerinnen und Rentner. In Traunkirchen geboren, aufgewachsen in Bad Ischl, Hotelfachschule, im Anschluss arbeitete er in diversen Grosshotels in Österreich, in der Schweiz und in den USA. 1967/68 leitete er das Restaurant im Motel in Triesen. Fernstudium zum Dipl. Kaufmann, Informatik am NTB, diverse Weiterbildungskurse bei IBM. Hobbys: Sport und Politik, Lesen und Familie.

 

Unsere schleichende Altersarmut

Man kann zwar annehmen, dass in unserem Land niemand Hunger leidet, weil zu wenig Geld da ist, aber dass jemand jedes Mal beim Geldbeutelziehen darüber nachdenken muss, ob es bis zum Monatsende und für noch offene Rechnungen reicht, diese Leute sind nicht so selten. Rentner, die allein von der AHV leben, gehören sicher dazu.

«Um das Sozialwerk der AHV zu schonen und den Staatshaushalt zu entlasten, wollte man in den Jahren der Finanzkrise den Teuerungsausgleich für die AHV-Rente solange anhalten bis die Auszahlung des Weihnachtsgeldes als 13. Rente kompensiert ist.»

Die AHV ist als solidarische Grundsicherung in der Altersvorsorge die erste Säule, sichert also das Existenzminimum. Die europäische Zentralbank verfolgt seit vielen Jahren zur Förderung der Wirtschaft eine Tiefzinspolitik. Die Teuerung entwickelt sich in der Folge moderat aber stetig. Um das Sozialwerk der AHV zu schonen und den Staatshaushalt zu entlasten, wollte man in den Jahren der Finanzkrise den Teuerungsausgleich für die AHV-Rente solange anhalten bis die Auszahlung des Weihnachtsgeldes als 13. Rente kompensiert ist. Mathematisch handelt es sich also kumuliert um 8.33 %. Auf diese Weise sinkt natürlich das ausgezahlte Existenzminimum stetig in Relation zur Kaufkraft. Die Frage ist: wann sind die 8.33 % erreicht und wie weit ist es für unsere Rentner überhaupt zumutbar ihre AHV-Rente in die Länge zu ziehen? Wie flexibel ist der Begriff «Existenzminimum»? Wie lässt sich das alles feststellen?

In meinen jungen Berufsjahren habe ich in Österreich und in Deutschland gearbeitet und dort in die gesetzlichen Sozialversicherungen eingezahlt. Deshalb beziehe ich jetzt als Rentner von beiden Ländern kleine Renten. Beide Länder passen ihre gesetzlichen Renten regelmässig an. Österreich hat seit 2011 um 20.65 % und Deutschland seit 2012 um 24.46 % erhöht. Unser Wirtschaftsraum unterscheidet sich nicht sehr von diesen beiden Ländern. Die 8.33 % haben sich demnach mehr als verdoppelt, sogar fast verdreifacht, aber unsere Monate haben immer noch gleich viele Tage, an denen für die täglichen Kosten aufzukommen ist. Wen wundert’s, dass Ribel und Rösti in die Küchen zurückkehren?

Johann Ott 

Geboren: 11.04.1947 in Vaduz
Schulbildung: Volksschule und Marianum Vaduz bis 1967 (Matura). Bauingenieurstudium an der TU Graz bis 1975 (Dipl.Ing.).
Seit 1980 mit Helena geb. Lösch verheiratet, eine Tochter.

Berufliche Laufbahn:
1976–1978 Ingenieurbüro Hofstätter, Innsbruck
1977–1978 Hochschulassistent an der Lehrkanzel für Stahlbau TU Innsbruck/freier Mitarbeiter im Ingenieurbüro Hofstätter Innsbruck
1978–1986 Hilti-Entwicklung München und Schaan
1986–2009 Leiter Tiefbaumt Landesverwaltung
Ab 2009 Pensionist.

 

AHV: Die Renten-Anpassung ist überfällig

Als angeblich wichtige Aufgabe der Politik wird in letzter Zeit mehrfach die Sicherung der AHV angemahnt. Bevor man sich jedoch über Sicherungsmodelle Gedanken macht, die angesichts der komfortablen finanziellen Lage unserer Altersversicherung überhaupt nicht dringlich sind, müsste man einen nicht mehr länger akzeptablen Missstand beheben und die überfällige Anpassung der Renten an die gestiegenen Lebenskosten in die Wege leiten. Die liechtensteinische AHV verfügt derzeit über eine Reserve von 11.08 Jahresausgaben. Im Vergleich dazu sieht die Schweiz auf gesetzlicher Basis nur eine Jahresausgabe vor, «in Österreich reicht die Reserve kaum für eine Woche aus und in Deutschland beträgt diese Reserve ca. zwei Monate», so der Landtagabgeordnete Johannes Kaiser in einem Beitrag im Volksblatt vom 4. Juni 2021.

Kürzlich hat Johannes Kaiser dargelegt, wie es 2011 zum Einfrieren der AHV-Renten kam. Der Landtag habe 2011 im Zuge der rigorosen Sparmassnahmen den faktischen Stopp der Teuerungsanpassung beschlossen, «damit auch Seniorinnen und Senioren zur Sanierung des Staatshaushaltes beitragen.» Der Teuerungsausgleich wurde für Jahrzehnte auf Eis gelegt. (Zur Erinnerung: Zugleich wollte der Gesellschaftsminister die 13. AHV-Rente «auslaufen lassen»!)

«Da rund die Hälfte der AHV-Rentner keine Pensionskassenguthaben besitzt und allein von der AHV-Rente lebt, wirkt sich eine über viele Jahre eingefrorene Rente fatal aus»

Inzwischen ist der Staatshaushalt mehr als gesund, die AHV-Renten jedoch haben, weil keine Teuerungsanpassungen vorgenommen worden sind, viel an Wert verloren. Vieles ist teurer geworden, auch Land und Gemeinden haben Gebühren angehoben. «Da rund die Hälfte der AHV-Rentner keine Pensionskassenguthaben besitzt und allein von der AHV-Rente lebt, wirkt sich eine über viele Jahre eingefrorene Rente fatal aus», schreibt Kaiser in der Lie-Zeit vom März 2021. Im selben Zeitraum, da das wohlhabende Liechtenstein auf Teuerungsanpassungen bei den AHV-Renten verzichtete, haben sowohl Österreich wie auch Deutschland die Renten regelmässig angepasst: Österreich seit 2011 um 20.65 Prozent, Deutschland seit 2012 um 24,46 Prozent. Auch in der Schweiz wurden die Renten während der letzten zehn Jahre viermal angepasst.

Angesichts der komfortablen finanziellen Situation von Land und Gemeinden muss die liechtensteinische Rentenpolitik der letzten Jahre als beschämend bezeichnet werden. Der neue Landtag wird dies, so ist zu hoffen, erkennen und die Weichen neu stellen.

Hansrudi Sele

Hansrudi Sele (Jahrgang 1940). Nach seiner beruflichen Tätigkeit als Primarlehrer, als Schulinspektor im Liechtensteinischen Schulamt, sowie als Personalleiter und Leiter Dienste bei der Liechtensteinischen Landesbank gründete Hansrudi Sele 1987 die HSM AG, ein Unternehmen für Organisations- und Managementberatung, welches er 2004 seinem Nachfolger übergab. Am kulturellen und politischen Geschehen seit jeher interessiert, äussert er sich immer wieder zu aktuellen Fragestellungen.