Caroline Bürzle und Barbara Hoop im Interview
Sowohl die Präsidentin Dr. iur. Ingrid Frommelt als auch die Geschäftsführerin Barbara Frommelt von der Familienhilfe Liechtenstein (FHL) sprechen in ihren Berichten des Vereinsjahres 2020 von einem sehr denkwürdigen bzw. von einem ausserordentlichen Jahr 2020. Die Corona-Pandemie stellte die Mitarbeitenden vor grosse Herausforderungen. So stiegen die Leistungsstunden der Spitex und Betreuung um 17 000 Stunden gegenüber dem Budget und der Mahlzeitendienst verzeichnete gar einen Anstieg um 36 %. Die Arbeit der Mitarbeitenden der FHL kann nicht hoch genug geschätzt werden. Wir danken den 210 Mitarbeitenden der FHL und den 100 freiwilligen Mitarbeitenden herzlich für ihren grossartigen Einsatz in den letzten Monaten. Sie haben viel dazu beigetragen, dass es den Klientinnen und Klienten zuhause gut gegangen ist.
Werner Ospelt von 60PLUS hat sich mit Carolina Bürzle von der Betreuung und mit Barbara Hoop von der Spitex, die in ihrer täglichen Arbeit sehr stark mit Corona konfrontiert worden sind, über die Herausforderungen der letzten eineinhalb Jahre unterhalten.
Wir haben uns über die Auswirkungen der Coronakrise auf die Arbeit der Betreuung und der Spitex unterhalten, wobei ein wichtiger Aspekt die angepassten Schutz- und Hygienemassnahmen sind, die von der FHL schon sehr früh im letzten Jahr für die Mitarbeitenden zur Pflicht gemacht wurden.
Eine Impfpflicht besteht nicht, aber wir müssen uns wöchentlich testen, auch die Geimpften.
Caroline Bürzle und Barbara Hoop: «Wir haben in unserem Betrieb ein Schutzkonzept mit klaren Regeln, um unsere Patienten und uns selbst zu schützen. Eine Impfpflicht besteht nicht, aber wir müssen uns wöchentlich testen, auch die Geimpften. Ausserdem tragen wir bei der Arbeit Masken und wir müssen uns an unser Hygienekonzept halten, denn in der Betreuung und Pflege kann der Abstand ja nicht eingehalten werden. Auch in den Büroräumlichkeiten gilt die Maskenpflicht. Wir betreuen und pflegen Klientinnen und Klienten, die aufgrund ihrer Erkrankung besonders gefährdet sind, da sind die Hygienemassnahmen entscheidend. Bei der Betreuung und Pflege von an Covid 19 erkrankten Klientinnen und Klienten befolgen wir ein besonderes Schutzkonzept. Es geht vor allem darum, all unsere anderen Klientinnen und Klienten und uns selbst gut zu schützen.»
Dann kommen wir auf die Frage zu sprechen, was sich durch die Coronakrise in der Arbeit verändert hat.
Caroline Bürzle: «Die Nachfrage in der Betreuung ist gestiegen, denn vor allem in der Zeit des Lockdowns war es vielen Angehörigen oder Bezugspersonen nicht mehr möglich, die Betreuung ihrer Angehörigen wie gewohnt zu übernehmen. Auch Besuche von Bekannten und das soziale Leben waren stark eingeschränkt. So konnten wir bei vielen Menschen mit unserer zusätzlichen Unterstützung das Gefühl der Isolation minimieren. Auch achteten wir bei den Gesprächen sehr darauf, dass die Klientinnen und Klienten ihre Sorgen und Anliegen ausdrücken konnten und wir unsere Unterstützung entsprechend anpassen konnten. Die Bedürfnisse und Wünsche unserer Klientinnen und Klienten zu erfüllen stand und steht an oberster Stelle für uns. Die Schwerpunkte unserer Betreuungsarbeit haben sich in den letzten eineinhalb Jahren bei einigen Klientinnen und Klienten verlagert. In der Anfangszeit der Pandemie, mit den eingeschränkten Sozialkontakten, sorgten wir auch mit einer guten zeitlichen Planung unserer Einsätze, körperlichen Aktivitäten für die Klientinnen und Klienten sowie mit gemeinsamem Erledigen verschiedener Arbeiten für die oftmals weggefallene Tagesstruktur».
Auch wir haben vermehrt erfahren, respektive miterlebt, dass die Einsamkeit ein grosses Thema ist und Gespräche sehr wichtig sind.
Barbara Hoop: «In der Spitex hatten wir mehr Klientinnen und Klienten zu betreuen. Die Spitäler haben die Patientinnen und Patienten früher in die Spitex entlassen und es gab auch Menschen, die nicht in ein Pflegeheim gehen und zuhause betreut und gepflegt werden wollten. Ich habe ebenfalls das Gefühl, dass wir für viele Klientinnen und Klienten, nicht nur in der für sie sehr belastenden Zeit wichtige Bezugspersonen sind. Auch wir haben vermehrt erfahren, respektive miterlebt, dass die Einsamkeit ein grosses Thema ist und Gespräche sehr wichtig sind. Angst und Respekt vor dem Virus hat unsere Klientinnen und Klienten, aber auch uns selbst sehr beschäftigt. Gerade am Anfang war diese Unsicherheit sehr gross; da arbeiteten wir plötzlich immer mit Mund- und Nasenschutz und auf viele Fragen hatten wir keine Antwort. Für viele Menschen mit einer Beeinträchtigung des Gehörs war jetzt auch die Verständigung wegen unserer «Masken» nicht mehr so einfach. Es brauchte seine Zeit, bis sich dieser wichtige Teil unserer Pflegearbeit – die Kommunikation – unter den neuen Umständen eingespielt hatte».
Eine spezielle Frage: Und wie war das mit dem Leistungsdruck?
Caroline Bürzle: «Wegen der grossen und oftmals auch kurzfristigen Leistungsnachfrage ist der Druck für alle grösser geworden. Dazu kamen auch verschiedene Krankheitsausfälle in unseren Reihen. In solchen Momenten übernahmen viele Mitarbeitende zusätzliche Einsätze, um die Betreuung unserer Klientinnen und Klienten sicher zu stellen. Eine intensive und sehr herausfordernde Zeit für uns alle».
Barbara Hoop: «In der Spitex hatten wir öfters kurzfristige Anfragen, aber auch vermehrt Menschen die zuhause gepflegt und betreut werden wollten. Unsere Arbeit kann ja nur in seltenen Fällen aufgeschoben werden. Da wir aber immer schon 24 Stunden/Tag Pflege und Betreuung bieten, wir auch über entsprechend ausgebildetes Pflegefachpersonal verfügen und die Stellenprozente aufgrund der hohen Leistungsnachfrage angepasst wurden, konnten wir die von uns geforderten Leistungen jederzeit erbringen. Zugegeben, es war eine grosse Flexibilität bezüglich Arbeitszeiten gefragt. Die Solidarität untereinander war sehr gut; jede und jeder leistete seinen Beitrag und so konnten und können wir ohne Einschränkungen für die Klientinnen und Klienten das grosse Arbeitspensum bewältigen.»
Zusammenarbeit zwischen Spitex und Betreuung
Caroline Bürzle und Barbara Hoop betonen, dass die Zusammenarbeit zwischen Spitex und Betreuung, aber auch die Dienstleistungen des Mahlzeitendienstes sehr wichtig sind.
Caroline Bürzle: «Es zeichnet die FHL aus, dass die Spitex und die Betreuung so eng und gut zusammenarbeiten. Nur so können wir die Bedürfnisse und Wünsche der Klientinnen und Klienten in ihrer jeweiligen Situation erfassen und damit die für sie bestmögliche Betreuung und Pflege gewährleisten.»
Barbara Hoop: «Es zeichnet uns in der ambulanten Versorgung aus, dass wir die Klienten zuhause in ihrem Umfeld betreuen und unterstützen, dass sie eben zuhause bleiben können und wir ihre Gewohnheiten und auch ihren Tagesrhythmus bei der Planung und Durchführung unserer Unterstützung berücksichtigen. Auch ist der Einbezug des sozialen Umfeldes für unsere Arbeit wichtig.»
Die Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FHL
«Die Wertschätzung, die uns entgegengebracht wird, ist ein grosses Kompliment und die Klientinnen und Klienten sind froh, dass wir sie in ihrem Zuhause unterstützen», sagt Caroline Bürzle.
Caroline Bürzle und Barbara Hoop: «Für viele Klientinnen und Klienten sind wir oftmals nicht nur Pflegende oder Betreuende, sondern wichtige Bezugspersonen. Mit unserer Unterstützung tragen wir dazu bei, dass sie auch mit gewissen Einschränkungen in ihrem gewohnten Umfeld leben können. Die Zusammenarbeit mit Angehörigen ist dabei sehr wertvoll und ist für uns selbstverständlich.»
Caroline Bürzle und Barbara Hoop: «Wenn das Ergebnis unserer Arbeit bewirkt, dass sich unsere Klientinnen und Klienten in ihrer jeweiligen Situation zurechtfinden, sich wohlfühlen, es ihnen und ihren Angehörigen mit unserer Unterstützung gut geht, dann haben wir unsere Aufgabe gut gemacht.»
Kurzporträt Barbara Hoop
Barbara Hoop, Diplomierte Pflegefachfrau FH, MScN, arbeitet seit dem Frühjahr 2020 bei der Familienhilfe Liechtenstein als Pflegefachfrau in der Spitex. Sie absolvierte eine Ausbildung an der Fachhochschule St. Gallen zum Master of Science in Pflegewissenschaften.
Kurzporträt Caroline Bürzle
Caroline Bürzle arbeitet seit 1997 bei der Familienhilfe Liechtenstein und ist in der Betreuung/Hauswirtschaft als Hauspflegerin tätig. Sie ist Berufsbildnerin für die Lehrlinge der FHL. Ihre pädagogische Ausbildung: Praxisausbilderin mit SVEB-Zertifikat, Lehrgang Demenz, Sehbehinderung im Alter (KSIA Zürich).