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60Plus | Mundart | April, 2022
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Amsla, Girigitsch, Deschgl und Stoor

Von Mathias Ospelt

In der diesjährigen Frühlingsausgabe des «60PLUS» dreht sich alles um die Vogelwelt, die uns wieder von morgens bis abends mit ihrem fröhlich stimmenden Gesang unterhält und uns so auf die wärmeren Tage einstimmt. Wie schon in früheren Beiträgen zur Flora erwähnt, zeigen sich echte Mundartartausdrücke – im Gegensatz zu dialektisierten Übernahmen aus dem Schriftdeutschen – ganz besonders bei Dingen, die früher einmal den Alltag der Menschen bestimmten: Flurbezeichnungen, Arbeitsgerät, Speisen, aber vor allem auch Flora und Fauna. Bei der Fauna ist allerdings die Gefahr der Eindeutschung der Namen weniger gross als dies bei der Flora der Fall ist. 

«Für das Tierreich hat unser Dialekt noch bedeutend mehr Namen erhalten, als dies im Bereich der Pflanzen der Fall ist. In der Schule wird weniger Zoologie betrieben als Pflanzenkunde, somit werden von daher die alten Tiernamen weniger gefährdet.»

In einem Beitrag über mundartliche Tiernamen («soweit bekannt»), den Alt-Regierungschef und Mundartforscher Alexander Frick (1910–1991) 1978 für den «Bericht der Botanisch-Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sargans-Werdenberg» verfasste, schrieb er in der Einleitung: «Für das Tierreich hat unser Dialekt noch bedeutend mehr Namen erhalten, als dies im Bereich der Pflanzen der Fall ist. In der Schule wird weniger Zoologie betrieben als Pflanzenkunde, somit werden von daher die alten Tiernamen weniger gefährdet.» Er bezog sich hierbei auf eine Aussage, die er zwei Jahre zuvor im «Bericht» des Jahres 1976 über die Pflanzenwelt gemacht hatte: «Vor allem durch die Schule, die präzise botanische Begriffe vermitteln will und auch muss, finden die allgemein üblichen (botanischen) Pflanzennamen rasche Verbreitung.» Dadurch, so Fricks Einschätzung, würden hochdeutsche Namen die Mundartbezeichnungen längerfristig verdrängen. Ähnliches lässt sich natürlich auch über die Bezeichnungen für Tiere sagen, die nicht zu den Haustieren gehören, da, so der Schaaner Mundartexperte, «das Tier, allen voran das Haustier, dem Menschen näher als irgendeine Pflanze» steht. Damit werden wir uns in einem folgenden Beitrag näher auseinandersetzen. Für dieses Mal belassen wir es auf einem Blick auf die Vogelwelt, in der noch etliche alte Mundartbezeichnungen verwendet werden.

Tschiwigg, Schilifigga und dr weld Gäässler

Diese etwas seltsam anmutenden Bezeichnungen galten und gelten zum Teil nach wie vor für einen einzigen Nachtvogel, allerdings in verschiedenen Gemeinden des Landes.Gemeint ist der Steinkauz bzw. die Eule (der Unterschied im Deutschen hat lautmalerische Gründe: die schlanker wirkende Eule stösst heulende Rufe aus, der etwas rundlichere Kauz kurze, markante Rufe). «Tschiwigg» (z. B. Schaan) und «Schilifigga» (Triesenberg) gehen beide auf die rätoromanische Form «tschuetta» für «Eule» zurück. Manch einer mag sich noch an die einst von etlichen Nachtvögeln frequentierte «Tschuetta»-Bar im Malbun erinnern, deren Logo eine Eule zeigte. Laut Frick entwickelte sich «Schilifigga» aus «Tschilifigga», welches wiederum auf «Tschiwigg» zurückgeht. In Triesen und Balzers wiederum heisst der Steinkauz «dr weld Gäässler». Allerdings ist nicht bekannt, woher dieser Name stammt. Ein Zusammenhang zwischen dem Nachtvogel und der bekannten Liechtensteiner Sage lässt sich z. B. nicht erkennen. Ausserdem wird das Käuzchen aufgrund seiner nächtlichen Rufe auch «Tootavogel» genannt. Frick erklärt dies damit, dass die Rufe vor allem von Leuten gehört wurden, die die Nacht am Bett eines Sterbenden verbrachten.

Der Name «Jäk» ist mit leichten Unterscheidungen in der Aussprache in praktisch allen Gemeinden des Landes verbreitet.

Jäk

Bei der Bezeichnung «Jäk» (auch: «Jääg» oder «Jeeg») für den Eichelhäher handelt es sich um einen Namen lautmalenden bzw. onomatopoetischen Ursprungs wie zum Beispiel beim Uhu, dem Kuckuck, dem Zilpzalp oder der Krähe. Namensgebend war hier jeweils der vom Menschen wahrgenommene Ruf des Vogels. Der Name «Jäk» ist mit leichten Unterscheidungen in der Aussprache in praktisch allen Gemeinden des Landes verbreitet. In zwei Gemeinden gibt es allerdings andere Bezeichnungen: Am Triesenberg (sowie in einigen Gemeinden des Vorarlbergs) sagt man «Boonajäägg». Interessanterweise wird er in Walsergemeinden des Vorarlbergs auch «Boonagreetsch» genannt (bei «Greetsch» handelt es sich um eine weitere Bezeichnung onomatopoetischen Ursprungs). Woher aber das «Boona-» kommt, konnte bis heute noch nicht eindeutig aufgeschlüsselt werden. In Ruggell wiederum heisst der Eichelhäher «Ggäägger». Dies ist eine sehr spezielle Insel-Form, die sich sonst weder in der Deutschschweiz noch in Vorarlberg findet.

Weitere spezielle Vogelnamen:

  • Agerschta: Elster
  • Bläuili (Vaduz): Blaumeise
  • Bommpigger: Specht (allg.)
  • Deschgl: Distelfink
  • Girigitsch (Balzers): Singdrossel (auch: Eberesche)
  • Gugger: Kuckuck
  • Hennavogel, Hennabei (Vaduz), Hennawanni (Tbg): Hühnerhabicht
  • Kötili (Vaduz): Kohlmeise
  • Kraag: Rabenkrähe
  • Miarzafööli: Grünspecht
  • Röötile: Rotkehlchen, Rotschwänzchen
  • Schwärmile: Schwalbe
  • Spiira (Mauren): Mauersegler
  • Ziisle: Zeisig

Alexander Fricks Beitrag im Bericht der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft 1978 wurde nochmals 1979 in zwei Teilen in seiner populären Mundartglosse im Liechtensteiner Volksblatt abgedruckt (L. Vo. 15.11. und 16/17.11.1979). Diese Veröffentlichung wurde begleitet von einem Aufruf Fricks, man möge ihm weitere mundartliche Tiernamen in Liechtenstein mitteilen. Gerne sei dieser Aufruf über vierzig Jahre später an dieser Stelle im «60PLUS» wiederholt. Da aber bereits Alexander Fricks Aufruf kaum ein Echo fand, ist die Erwartungshaltung sehr gering.

Verwendete Literatur:

Frick, Alexander: Die Mundarten von Liechtenstein. Bearbeitet von Eugen Gabriel. Vaduz 1990. U. a. erhältlich über die Liechtensteinische Mundartstiftung.