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60Plus | Im Blickpunkt | August, 2022
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Franchise und AHV-Rente

Interview mit Johannes Kaiser (FBP) und Manfred Kaufmann (VU)

Die Abschaffung der Krankenkassen-Franchise wurde an der Abstimmung vom 26. Juni 2022 mit deutlicher Mehrheit angenommen. Damit ist die Anpassung/Erhöhung der AHV-Rente jedoch nicht vom Tisch. Die Regierung hat am Dienstag, 12. Juli 2022, entschieden, trotz der aktuellen Inflation von 3.4 % per Ende Juni 2022 auf eine Rentenerhöhung per 1. Januar 2023 zu verzichten. Sie möchte erst die Behandlung der «Fairness»-Initiative zur Rückkehr zum Mischindex bei der AHV-Berechnung im Landtag abwarten. Also wird die Anpassung/Erhöhung der AHV-Rente wieder auf die lange Bank geschoben.

Warum wurde die Abschaffung der Franchise angenommen?

Manfred Kaufmann: Die Bevölkerung hat mit der Zustimmung von 64 Prozent ein klares Zeichen für die Unterstützung der Rentner gesetzt. Auch weil es eben nicht, wie vielfach erwähnt wird, nur reichere Rentner gibt, sondern auch solche, die diese finanzielle Unterstützung brauchen können. Schliesslich fehlen aktuell rund der Hälfte der Rentner Einkünfte aus einer Pensionskasse, weil bspw. als Selbstständiger das Geld für die Einzahlung fehlte oder weil sich eine Frau um die wichtige Familienarbeit kümmerte.

Was bedeutet das für die Politik der Regierung von VU und FBP?

Johannes Kaiser: Die Volksinitiative der Franchisebefreiung der DpL ist aus dem Grundübel des Rentenstillstandes seit nunmehr elf Jahren herausgewachsen. Im Zusammenhang mit der Staatshaushaltssanierung mussten die Rentner in unverhältnismässig hohem Masse herhalten; so wurde mit der Auflösung des Mischindexes als Berechnungsgrundlage der Rente zuungunsten der Rentner eine deutliche Abwärtsspirale eingeleitet. Mit der Franchisebefreiung für die Rentner wurde nur ein Puzzle-Teil gelöst. Es ist dringend angesagt, dass für die Zukunft bei der AHV-Rentenanpassung zum früher bewährten und fairen Mischindex zurückgekehrt wird.

Wie in der Privatwirtschaft oder bei der öffentlichen Hand sollen zukünftig auch die Renten in Bezug zur Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten bzw. des Geldwertes gesetzt werden.

Sie sind die Landtagsabgeordneten der Initiative «zur Rückkehr zum Mischindex bei der AHV-Rentenanpassung». Was bezweckt diese Initiative konkret?

Manfred Kaufmann: Seit dem Jahr 2011 blieb in Liechtenstein die AHV-Rente betragsmässig unverändert, weil damals im Rahmen der Sanierung des Staatshaushaltes auf den Konsumentenpreisindex gewechselt wurde. Mit dieser Initiative soll wieder auf den Mischindex gewechselt werden. Dadurch soll es in Zukunft wieder ermöglicht werden, Rentenanpassungen bei entsprechender inflationsbedingter Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten vornehmen zu können. Wie in der Privatwirtschaft oder bei der öffentlichen Hand sollen zukünftig auch die Renten in Bezug zur Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten bzw. des Geldwertes gesetzt werden. Eine solche Rentenanpassung ist meines Erachtens fair, weshalb wir Initianten auch von einer «Fairness-Initiative» sprechen. 

Stichwort «Fairness-Initiative: Wie äussert sich die Situation für die Rentner bzw. in welcher Form wurden sie «abgehängt»?

Johannes Kaiser: Die durchschnittliche Lohnentwicklung über alle Branchen steigerte sich in der Schweiz seit 2011 um satte 6.2 Prozent. Die Rente in der Schweiz erhöhte sich seit 2011 durch die Bemessungsgrundlage des Mischindexes um 3 Prozent; so gab es in der Schweiz vier Mal eine Rentenerhöhung innerhalb der vergangenen elf Jahre. Nur in Liechtenstein haben die Rentner jährlich Hunderte von Franken weniger Rentenleistung für die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten im Portemonnaie. Das ist absolut nicht fair gegenüber unserer älteren Generation, die Liechtenstein zu unserem Wohlfahrtsstaat gemacht hat und derzeit über 2,7 Milliarden Franken an Staatsreserven verfügt. 

Wir wollen an diesem bestehenden AHV-System einfach wieder die Möglichkeit schaffen, solche Rentenerhöhungen vornehmen zu können.

Die Regierung nimmt gerne die Metapher der «Giesskanne» in den Mund. Was sagen Sie dazu?

Manfred Kaufmann: Das Argument mit der Giesskanne kann ich bei der AHV und unserer Initiative nicht nachvollziehen. Schliesslich handelt es sich um ein bestehendes System, das nicht über die Teuerung inhaltlich ausgehöhlt werden soll. Es sollen in dem Sinne wenigstens zusätzliche Mittel zur effektiven Kaufkrafterhaltung eingeschossen werden. Wir wollen an diesem bestehenden AHV-System einfach wieder die Möglichkeit schaffen, solche Rentenerhöhungen vornehmen zu können. Das denke ich, ist mehr als nur fair. Dieses System kannten wir übrigens auch bereits vor der Änderung im 2011 und auch die Schweiz wendet dies an. 

Ist mit der Abschaffung der Franchise, die AHV-Rentenanpassung vom Tisch? 

Johannes Kaiser: Mit der Franchisebefreiung wurde lediglich die Mehrbelastung der Rentner als Auswirkung der Krankenkassenrevision im 2016 korrigiert, denn damals wurde die Franchise für Rentner von 100 auf 500 Franken erhöht sowie die Kostenbeteiligung von 300 auf 450 Franken. Der massive Kaufkraftverlust für die Rentner fundiert jedoch im Einfrieren der Rente auf dem Stand von 2011. Das Ziel von uns Initianten ist somit nachhaltiger Natur, nämlich die Rückkehr zum Mischindex bei der AHV-Rentenanpassung. 

Ein Argumentieren mit dem ständigen Warten auf die immer wieder angekündigten Berichte und Strategien in Bezug auf eine umfassende AHV-Lösung scheint mir mit Blick auf die aktuell verschärfte Problematik nun wirklich nicht mehr zielführend zu sein.

Gerne verweist man darauf, dass die ältere Generation massgebliche am Aufbau der heutigen Wohlfahrt unseres Staates Liechtenstein Verdienste hat. Sie hat hervorragende Weichen für die künftigen Generationen gestellt. Weshalb tut man sich mit dieser Fairness-Initiative bei der Politik so schwer?

Manfred Kaufmann: Der heutigen Rentnergeneration, welche viel für unser Land geleistet hat, gebührt Respekt und Anerkennung. Wir sind es ihr deshalb auch schuldig, dass wir auf diese Generation achtgeben. Dies sollte sich meiner Meinung nach in erster Linie auch durch eine entsprechende staatliche Rentenleistung ausdrücken. Ein Argumentieren mit dem ständigen Warten auf die immer wieder angekündigten Berichte und Strategien in Bezug auf eine umfassende AHV-Lösung scheint mir mit Blick auf die aktuell verschärfte Problematik nun wirklich nicht mehr zielführend zu sein. Dies hilft den Betroffenen wenig bis gar nichts. Es ist nach elf Jahren des Zuwartens und der vielen Diskussionen und Versprechungen nun wirklich Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.

Warum verliess Liechtenstein im Jahre 2011 einseitig den Mischindex, obwohl die Schweiz bei dieser bewährten Berechnungsgrundlage der Rente verblieben ist? In der Schweiz wurde in den letzten 10 Jahren 4 Mal eine Rentenerhöhung vorgenommen. 

Johannes Kaiser: Im Rahmen der Staatshaushaltssanierung wurde gerade bei den Rentnern ein ziemlich dicker Rotstift angesetzt. Nachdem das ursprüngliche Ansinnen, die 13. Rente zu streichen, nicht gut angekommen ist, hat man mit der Auflösung des Mischindexes, das heisst mit der Nicht-Berücksichtigung der Entwicklung der Lohnkomponente, bei der Berechnung der Rente einen einschneidenden negativen Eingriff vorgenommen. Die Folge davon ist eben fatal, nämlich die Ausdünnung der Rentenleistung, seit man nur noch den Konsumentenpreis als Bemessungsgrundlage heranzieht. Die Rentner erhalten aufgrund dieses Einfrierens der Rente im Jahr Hunderte von Franken weniger, als ihnen zustehen würden.

Welchen Einfluss hat die Annahme der Abschaffung der Franchise auf die Abgeordneten im Hinblick auf Ihre Initiative und eine AHV-Rentenanpassung?

Manfred Kaufmann: Meines Erachtens war dies der Wink mit dem Zaunpfahl. Die Leute wollen eine Lösung und haben genug vom ständigen Vertrösten, sei es über die Einholung von neuen Gutachten, Statistiken oder weiteren Berichten. Eine massvolle Rentenanpassung nach über 11 Jahren ist fair und überfällig. 

Wann wird die Fairness-Initiative im Landtag behandelt und wie geht es weiter, wenn Ihre Initiative im Landtag eine Mehrheit erhält? 

Johannes Kaiser: Unsere Fairness-Initiative steht im September-Landtag zur Behandlung an und bei einer Zustimmung durch die Volksvertretung würde die gesetzliche Grundlage geschaffen, die Berechnungsgrundlage der Rente auf die jahrelang bewährte und faire Mischindex-Systematik – also dem arithmetischen Mittel der Entwicklung des Lohn- wie auch Konsumentenpreis-Indexes – umzustellen. So wird verhindert, dass die Rentner in der Werterhaltung der Rentenleistung auch in Zukunft «abgehängt» werden.

Wenn es im Landtag für Ihre Initiative keine Mehrheit gibt, wie geht es dann weiter?

Manfred Kaufmann: In diesem Fall werden wir Initianten die Situation analysieren, um das weitere Vorgehen festzulegen. Was wir Ihnen versichern können, ist, dass unser Einsatz für eine gerechte, faire finanzielle Leistungserbringung gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern auf jeden Fall weitergehen wird. 

Johannes Kaiser

  • wohnhaft in Schellenberg
  • verheiratet, zwei Kinder (23 und 20)
  • Gemeindevorsteher von Mauren 1991–2003
  • im Landtag seit 2001
  • Hobbys: Lesen, Joggen, Natur geniessen

Manfred Kaufmann

  • wohnhaft in Balzers
  • verheiratet, Vater eines 12-jährigen Sohns
  • VU-Fraktionssprecher und Vorsitzender der Aussenpolitischen Kommission
  • im Landtag seit 2013
  • Hobbys: Fussball, Joggen