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60Plus | Fokus | März, 2023
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Ihr Enkelein kommet . . .

von Gabi Eberle

Wer Kinder hat, hätte auch gerne Enkel. Ein nachvollziehbarer Wunsch, welcher, haben sich noch keine eingestellt, die eigenen Kinder im besten Fall nervt, im schlimmsten unter Druck setzt. Handkehrum sind die potenziellen Grosseltern oft aufdringlichen Fragen aus dem Umfeld ausgesetzt. Kündigt sich dann Nachwuchs an, verändert sich die gesamte Familiendynamik, nicht nur die der jungen Familie. 

«Und wann bekomme ich endlich ein Enkelkind?» Diese Frage kann jede Familienfeier sprengen. Wenn die eigenen Kinder keine Kinder wollen, ist das für ältere Menschen oft schwer.

Ein Enkelkind steht für Eltern mit Kindern irgendwann weit oben auf der Wunschliste, gehört Grosseltern zu sein zum Lebensplan. «Und wann bekomme ich endlich ein Enkelkind?» Diese Frage kann jede Familienfeier sprengen. Wenn die eigenen Kinder keine Kinder wollen, ist das für ältere Menschen oft schwer. Veränderte Rollenbilder, vielfältige Lebensmodelle, individuelle Lebenspläne, berufliche oder finanzielle Gründe: Obwohl Kinder zu haben die Regel ist, wollen oder können sich nicht alle Frauen und ihre Partner hinsichtlich eigenem Nachwuchs festlegen oder entscheiden sich bewusst dagegen. Ausser Acht gelassen darf auch nicht, dass 15 % aller Partnerschaften ungewollt kinderlos bleiben.

Entscheidung ist Sache der Eltern

Erlaubt ist durchaus, die Familienplanung anzusprechen. Auf das Wie kommt es an: «Die Zielsetzung darf nicht sein, das Kind zu überzeugen oder zu überreden», sagt Ursula Lenz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der deutschen Senioren-Organisationen (BAGSO). Stattdessen könne man sagen: «Ich würde mich über Nachwuchs freuen» und: «Ich möchte gerne verstehen, warum ihr euch gegen Kinder entscheidet». Wer dagegen die Enttäuschung darüber immer wieder spüren lässt, belastet damit die familiäre Beziehung. Die Entscheidung für oder gegen eigene Kinder ist Sache der Eltern.

Jene ohne und jene mit

Im Gegenzug sind unter Umständen auch die Senioren lästiger Fragerei und unverblümter Neugier innerhalb des Verwandten- und Bekanntenkreises ausgesetzt. «Und, ist schon ein Enkel unterwegs?» Speziell Frauen finden sich plötzlich in einer Situation wieder, die jener sehr ähnlich ist, als aus Freundinnen Mütter wurden. Wieder entstehen zwei Lager: jene Frauen, die Enkelkinder haben und jene, die keine haben. Jene, die stolz Fotos von süssen Kindern herumzeigen und bei jedem Treffen das neuste Detail aus der Kinderentwicklung mitteilen. Und jene, die dem nichts zu entgegnen haben. Ungewollt Enkellose können in zahlreichen sozialen Situationen nicht mitreden, sollten sich deswegen aber nicht verunsichern lassen.

Nichts muss, alles darf

Das bürgerliche Alleinverdiener-Familienmodell ist längst vom «dual earner model», dem Doppelverdiener- oder zumindest einem Zuverdiener-Modell – sei es aus wirtschaftlichen oder karrieretechnischen Gründen – abgelöst worden. Die Kinderbetreuung erfolgt in viel stärkerem Ausmass intergenerationell. Das heisst, die Grosseltern oder der erweiterte Familienkreis übernehmen denjenigen Teil an Betreuungsarbeit, den die Frauen infolge zunehmender Erwerbstätigkeit nicht mehr leisten. Werden für beide Seiten stimmige Lösungen gefunden, entsteht eine Win-win-Situation, von der alle drei Generationen profitieren.

Grosseltern, die sich nicht als Ersatz-Kita oder Betreuungsdienst sehen, sind Egoisten, so scheinbar die verbreitete Meinung. Das Thema ist ein Tabu.

Aber was, wenn Oma findet, sie habe schon genug Kinder grossgezogen? Den Grossmüttern ergeht es dann wohl nicht besser als den Eltern. Auch sie werden ständig bewertet und dementsprechend schubladisiert oder belehrt. Grosseltern, die sich nicht als Ersatz-Kita oder Betreuungsdienst sehen, sind Egoisten, so scheinbar die verbreitete Meinung. Das Thema ist ein Tabu. Es gibt kaum Grosseltern, die offen kommunizieren, dass sie lieber reisen oder arbeiten, anstatt die Enkel zu betreuen. Und so gilt auch in der Betreuungsfrage: Offen kommunizieren und deutlich über seine Wünsche, Vorstellungen und Möglichkeiten sprechen.

Wichtige, wertvolle Bezugspersonen

So oder so steht ausser Frage: Grosseltern, die regelmässig auf ihre Enkelkinder aufpassen, sind neben den Eltern meist die wichtigsten Bezugspersonen für Kinder und ein Schlüssel zur Familiengeschichte. Mithilfe von Oma und Opa lernen die Kleinen, dass es andere Lebensauffassungen gibt und es früher anders war. So erweitern sie ihr Bewusstsein, lernen Bräuche und Familientraditionen. Zusammen spielen, basteln, spazieren gehen oder einfach nur gemeinsam Alltagsdinge erledigen, lässt eine Bindung entstehen. «Eine gute Beziehung zu den Grosseltern verbessert generell das Verhältnis zwischen Jung und Alt», sagte Soziologe Francois Höpflinger in einem «Zeit Online»-Interview. Beziehung zu den Grosseltern aufzubauen gilt aus psychologischer Sicht als wertvoller Baustein für die Entwicklung der späteren Beziehungsfähigkeit des Kindes.