Niederschwellige Hilfe bei sozialen Nöten – auch für SeniorInnen. Von Gabi Eberle
Kurzarbeit während der Corona-Pandemie, steigende Miet-, Krankenkassen-, Energiekosten, die Teuerung – auch hierzulande kommt ein Teil der Haushalte nicht mehr über die Runden. Besonders ins Gewicht fallen diese Faktoren dort, wo sich jemand im Bereich der Armutsgefährdung bewegt. Kostenlose Sozial- und Budgetberatung, finanzielle Hilfeleistungen, ein Lese- und Schreibservice und die KulturLegi sind weitere Angebote der professionell aufgestellten Organisation, die ihre Dienste stetig weiterentwickelt, den sich ändernden gesellschaftlichen Entwicklungen und Rahmenbedingungen anpasst. Die Inlandhilfe
ist für alle im Land wohnhaften Menschen mit Beratungs- und Unterstützungsbedarf offen.
2024 begeht der Verein sein 100-Jahre-Jubiläum. Ein Gespräch mit Rita Batliner, seit 2018 Vereinspräsidentin, und Sabine Schädler, Sozialarbeiterin der Caritas Liechtenstein.
Hierzulande ist die Palette an sozialen Anlaufstellen und Unterstützungsangeboten wie Krankenkassenprämien-Verbilligung, Wohnungsbeihilfe etc. verhältnismässig gross. Was unterscheidet die Caritas Liechtenstein z. B. vom Amt für Soziale Dienste? Weshalb wählen Menschen in sozialer Not Ihre anstelle der Amts-Tür?
Rita Batliner: Das Amt für Soziale Dienste (ASD) ist eine Amtsstelle, die unter anderem den Auftrag hat, das finanzielle Existenzminimum von in Liechtenstein wohnhaften Personen zu sichern. Die Caritas Liechtenstein, deren Arbeit auf Statuten und einem internen Leitfaden zur Vergabe von finanziellen Hilfeleistungen beruht, hat keinen behördlichen Auftrag. Wir leisten überbrückungsmässig punktuelle finanzielle Nothilfe, verweisen bei Nichterreichen des Existenzminimums an das ASD oder z. B. die AHV bzw. deren Abteilung Ergänzungsleistungen, weisen auf die Möglichkeit von Prämienverbilligungen oder Mietbeihilfe hin im Sinne des Subsidiaritätsprinzips. Bei Bedarf helfen wir auch beim Ausfüllen der entsprechenden Formulare.
Sabine Schädler: Die Caritas Liechtenstein hat zum Ziel, für Menschen in schwierigen Lebenssituationen ein Ansprechpartner auf Augenhöhe zu sein. Wen also soziale Nöte drücken, der findet bei uns eine unverbindliche und unabhängige Beratungsstelle mit fachlichem Hintergrund und einem entsprechenden Netzwerk.
Mit welchen Institutionen arbeitet die Caritas Liechtenstein in welcher Form zusammen?
Sabine Schädler: Mit allen, die in irgendeiner Form für Menschen unterstützend tätig sind, beispielsweise öffentliche Institutionen wie AHV/IV/FAK, ASD, andere Beratungs- und Fachstellen, Gericht, Stiftungen und Vereine.
Unter Umständen empfehlen wir die Konsultation anderer Fachstellen, abhängig von der Ausgangslage, z. B. die Gerichtspraktikanden bei rechtlichen Fragestellungen, Infra bei Trennungsfragen, Beratungsstelle BSB Hand in Hand bei Verschuldung usw.
Rita Batliner: Die Arbeit mit Menschen, die bei uns Beratung suchen, verläuft bedarfsorientiert, wobei gegebenenfalls auch finanzielle Hilfeleistung Entlastung geben soll. Unter Umständen empfehlen wir die Konsultation anderer Fachstellen, abhängig von der Ausgangslage, z. B. die Gerichtspraktikanden bei rechtlichen Fragestellungen, Infra bei Trennungsfragen, Beratungsstelle BSB Hand in Hand bei Verschuldung usw.
Sabine Schädler: Es macht Sinn, wenn Hilfe koordiniert und fachlich begleitet geleistet wird. Die Zusammenarbeit untereinander klappt, dasselbe Ziel im Blick, sehr gut.
Die Angebote der Caritas Liechtenstein können niederschwellig in Anspruch genommen werden. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um bei Ihnen finanzielle Hilfe zu bekommen? Ist eine solche einmalig oder erstreckt sie sich mitunter über
längere Zeit?
Rita Batliner: Grundsätzlich kann jede Person, welche den zivilrechtlichen Wohnsitz im Land hat, sich in einer Notlage befindet, von Armut betroffen oder armutsgefährdet ist, bei uns Antrag stellen. Die Gründe sind vielfältig: Neuberentung, Umzug ins LAK, Arbeitslosigkeit, Familienzuwachs, finanziell schwierige Übergangssituationen, Übergang Lehre/Beruf u. v. m. Unsere Berechnungsgrundlagen sind der staatlichen Existenzminimumberechnung ähnlich. Grundsätzlich leistet die Caritas Liechtenstein punktuelle finanzielle Hilfe. Manchmal begleiten wir Menschen im Rahmen der Sozial- und Budgetberatung über einen längeren Zeitraum hinweg.
Woher kommen die Gelder und nach welchen Kriterien erfolgt deren Verteilung?
Rita Batliner: Unser Spendentopf enthält keine staatlichen, sondern ausschliesslich Spendengelder von Privatpersonen und Institutionen. Damit diese zielführend eingesetzt werden und wir uns gegenüber unseren Spendern verantworten können, haben wir einen internen Leitfaden zur Vergabe von finanziellen Hilfeleistungen entwickelt.
Der Verein zählt 14 Vorstandsmitglieder zwischen 35 und 68 Jahren aus allen Gemeinden des Landes. In welcher Form sind diese aktiv tätig?
Rita Batliner: Die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder bestimmen gemäss Statuten die Geschicke des Vereins und sind neben den Vorstandsaktivitäten übers Jahr in Projekte wie beispielsweise die Organisation des Caritas Sommerlagers in Malbun, die Rekrutierung von Angebotspartnern für die KulturLegi oder temporäre Projekte wie die Vorbereitung des Jubiläumsanlasses eingebunden.
An wen wenden sich Menschen, die das eine oder andere Angebot der Caritas Liechtenstein in Anspruch nehmen wollen?
Rita Batliner: Unsere Geschäftsstelle ist an der Landstrasse 25 in Schaan angesiedelt, wo sich fünf Mitarbeiterinnen in Teilzeitpensen um die Anliegen der Antragsteller, die Spendensammelaktionen zur Finanzierung der finanziellen Hilfeleistungen, Spendenaufrufe und das weitere Jahresprogramm sowie um die Verwaltung und Finanzierung der Geschäftsstelle als Ganzes kümmern.
Sabine Schädler: Termine mit der Sozial- und Budgetberatung sowie dem Lese- und Schreibservice finden jeweils nach Vereinbarung statt. Eine Antragstellung wird fachlich geprüft, ist jedoch nicht zwingend an ein persönliches Gespräch gebunden.
2020 professionalisierte die Caritas Liechtenstein den Sozialberatungsbereich, engagierte mit Sabine Schädler eine diplomierte Sozialarbeiterin.
Rita Batliner: Die Problem- und Ausgangslagen unserer Klienten sind teilweise sehr komplex. Daraus resultierende sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen können entsprechend umfangreich sein. Aus diesem Grund war ich seit der Übernahme des Präsidentenamtes bestrebt, eine Sozial- und Budgetberatung mit professionellem Hintergrund anzubieten. Das fachliche Wissen ist in diesem Themenfeld mittlerweile unabdingbar.
Als Folge der Coronamassnahmen mussten viele über längere Zeit vom Taggeld leben (70 od. 80 % vom ursprünglichen Lohn) leben, Ersparnisse wurden aufgebraucht, das Budget ging nicht mehr auf.
Dem Jahresbericht 2022 ist zu entnehmen, dass bei den bewilligten Anträgen eine Zunahme um 6.15 %, bei den total 682 eingereichten Anträgen um 23.10 % zu verzeichnen ist (Anm.: 55 % der Antragstellenden waren LiechtensteinerInnen). Worauf führen Sie den Anstieg zurück?
Rita Batliner: Wir vermuten, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Jahren 2020 bis anfangs 2022 für einen Teil der Gesellschaft einen spürbaren Einschnitt in die persönlichen finanziellen Lebensumstände bewirkten. Als Folge der Coronamassnahmen mussten viele über längere Zeit vom Taggeld leben (70 od. 80 % vom ursprünglichen Lohn) leben, Ersparnisse wurden aufgebraucht, das Budget ging nicht mehr auf. Dazu kam die Teuerung mit 3,3 %, welche bei denjenigen Personen ins Gewicht fällt, die armutsgefährdet sind. Um den finanziellen Engpass zu überbrücken, wurden teilweise Kleinkredite aufgenommen, die im Nachgang mit hohen Zinsen massiv ins Gewicht fallen. Schulden bedeuten für den Einzelnen schneller als gedacht eine Belastung, deren Auswirkungen erdrückend und weitreichend sein können.
Kommen auch SeniorInnen zur Caritas Liechtenstein? Man kann sich vorstellen, dass deren Hemmschwelle, auch wenn sie sich in finanziellen oder anderen Nöten befinden, hoch ist.
Sabine Schädler: Ja, zu uns kommen auch SeniorInnen. Vermutlich ist die Schwellenangst im Bereich 60plus grösser. Ich merke, dass es diesem Personenkreis sehr unangenehm ist, um Hilfe zu bitten. Bisher «hat man es immer geschafft, ist es immer irgendwie gegangen».
Das Antragsformular ist auf www.caritas.li verfügbar oder kann auf telefonische Bestellung hin zugesandt werden.
Rita Batliner: Das Antragsformular ist auf www.caritas.li verfügbar oder kann auf telefonische Bestellung hin zugesandt werden. Benötigt jemand Unterstützung beim Ausfüllen, helfen wir gerne persönlich weiter.
Sabine Schädler: Möglich ist auch, dass sich die Seniorenkoordinatorin der entsprechenden Gemeinde stellvertretend für die betreffende Person bei uns meldet oder in deren Namen Antrag stellt. Ebenso können dies Sohn oder Tochter tun. Gerade bei Übergangssituationen ist rasches Handeln wichtig.
Zu den neueren Angeboten der Caritas Liechtenstein gehören der Lese- und Schreibservice sowie die KulturLegi. Wie sieht die Resonanz aus?
Sabine Schädler: Der KulturLegi-Ausweis macht Kultur-, Bildungs- und Sportangebote durch vergünstigte Eintrittspreise für Menschen an der Armutsgrenze erschwinglich und fördert so die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Aktuell haben wir rund 20 Angebotspartner im Land, wobei schweizweit über 3000 Angebote genutzt werden können. Seit 2022 verzeichnen wir um die 120 potenzielle Kartennutzer. Die KulturLegi ist z. B. für Senioren mit Ergänzungsleistungsanspruch sehr attraktiv.
Rita Batliner: Der Lese- und Schreibservice ist eine persönliche Erklärungshilfe bei behördlichem Schriftverkehr, Verträgen, Formularen usw., insbesondere auch bei sprachlichen Hürden. Im vergangenen Jahr wurde das unentgeltliche Angebot acht Mal genutzt.
Stichwort «Hilfe zur Selbsthilfe». Was ist diesbezüglich bei Ihrer Arbeit möglich?
Sabine Schädler: Im Rahmen von Beratungsgesprächen geben wir Empfehlungen ab, sind jedoch auf die Bereitschaft des Gegenübers angewiesen, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Wir stellen fest, dass es Menschen oft nicht leichtfällt, Verhaltensänderungen zu erreichen.
Die Caritas Liechtenstein ist da, wenn die Nöte akut sind. Unsere Hilfeleistung beinhaltet auch, dass wir die Menschen in solchen Übergangsphasen auf spezifische Fachstellen aufmerksam machen.
Rita Batliner: Ereignisse wie Scheidung, Tod einer nahestehenden Person, Adoleszenz, Arbeitsplatzverlust, psychische Belastungen können einem den Boden unter den Füssen wegreissen. Die Caritas Liechtenstein ist da, wenn die Nöte akut sind. Unsere Hilfeleistung beinhaltet auch, dass wir die Menschen in solchen Übergangsphasen auf spezifische Fachstellen aufmerksam machen.
Ihre Wünsche für die Zukunft?
Rita Batliner: Dass die Caritas Liechtenstein weiterhin auf Vertrauen der SpenderInnen zählen darf, damit Beratungsangebot und finanzielle Hilfeleistung weiterhin aufrechterhalten bleiben. Ein weiterer Wunsch meinerseits richtet sich an die Gesellschaft in Liechtenstein, sich mit der Armutsthematik auseinanderzusetzen. Ein offener und informierter Umgang mit dem Thema hilft, Angebote aufrechtzuerhalten und neue zu schaffen.
Sabine Schädler: Mein Wunsch wäre, dass die Menschen in Liechtenstein unsere Angebote frühzeitig in Anspruch nehmen und nicht zuwarten bis sich ihre finanzielle Situation zugespitzt hat.
Infos/Kontakt
Aktuell:
Einkommensschwache Haushalte, die nicht durch die Regierungsmassnahmen zur Abfederung der Energiepreissteigerungen abgedeckt werden, können sich im Rahmen der Härtefallregelung an die Caritas Liechtenstein wenden
Formular «Antrag auf finanzielle Hilfe»:
www.caritas.li (auch Zustellung per Post möglich)
Antrag KulturLegi-Karte:
caritas.li/kulturlegi-caritas.html
Kontakt:
Caritas Liechtenstein e. V., Landstrasse 25,
Schaan, Tel. +423 376 50 33, info@caritas.li
Sozialberatung: +423 376 50 32,
E-Mail: sozialberatung@caritas.li
Spendenkonto:
Liecht. Landesbank, IBAN: LI73 0880 0000 0203 3570 7