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60Plus | Fokus | September, 2023
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Ein Archiv im Boden

von Sarah Leib Leiterin Abt. Archäologie/Amt für Kultur

Das archäologische Kulturgut in Liechtenstein spiegelt eine Zeitspanne von rund 7000 Jahren Menschheitsgeschichte wider. Die im Boden verborgenen Funde und Befunde sollen wann immer möglich intakt an ihrem Ursprungsort verbleiben. Als «Archiv im Boden» bleibt es erhalten und ist für spätere Generationen zugänglich. 

Funde und Befunde sind allerdings durch Bauarbeiten, land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, Erosion und illegale Raubgräberei akut bedroht. Kann unser kulturelles Erbe nicht erhalten bleiben, führt das Team der Abteilung Archäologie im Amt für Kultur Notgrabungen durch. Mit wissenschaftlichen Methoden werden die im Boden erhaltenen Informationen und Gegenstände dokumentiert und geborgen.

Eine wichtige Rolle in der archäologischen Erforschung Liechtensteins spielte der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein. Seit seiner Gründung im Jahr 1901 initiierte dieser etliche Ausgrabungen im Land. Zwischen 1940 und 1965 erlebte die liechtensteinische Archäologie unter dessen Federführung ihre erste Blüte.

Archäologie mit Geschichte

Liechtenstein ist überaus reich an historischen Kulturgütern, denn seit über 170 Jahren wird hier archäologisch geforscht. Das römische Kastell und die frühmittelalterliche Kirche St. Peter in Schaan zählen zu den frühesten Entdeckungen. Die antiken Grundmauern wurden nach dem Dorfbrand von 1849 teilweise freigelegt. Eine wichtige Rolle in der archäologischen Erforschung Liechtensteins spielte der Historische Verein für das Fürstentum Liechtenstein. Seit seiner Gründung im Jahr 1901 initiierte dieser etliche Ausgrabungen im Land. Zwischen 1940 und 1965 erlebte die liechtensteinische Archäologie unter dessen Federführung ihre erste Blüte. Einige international bekannten Fundorte auf dem Höhenrücken des Eschnerbergs (Lutzengüetle, Schneller, Borscht) oder auf dem Felskopf der Burg Gutenberg wurden in dieser Zeit in Teilbereichen ausgegraben.

Von der Fachstelle zur Abteilung

Die Eingliederung der Archäologie in die Landesverwaltung als eigene Fachstelle mit staatlichem Auftrag fand im Jahr 1998 statt. 2013 erfolgte der Wechsel vom Hochbauamt zum Amt für Kultur, wo die Archäologie seither eine eigene Abteilung bildet. Ein wichtiger Schritt für eine stabile rechtliche Basis der Archäologie in Liechtenstein bildete 2016 die Verabschiedung des Gesetzes über den Schutz, die Erhaltung und die Pflege von Kulturgütern (KGG 2016).

Vernetztes Forschen

Archäologische Funde und Befunde bilden vor allem für schriftlose Epochen die wichtigsten Informationsquellen. Sie erlauben die Rekonstruktion früherer Lebensbedingungen und des Alltags. Anhand der gewonnen Erkenntnisse lassen sich Aussagen über Handel, Handwerk, Bräuche, Riten, Land- und Viehwirtschaft, Bauweise, Ernährung und viele weitere Bereiche des menschlichen Lebens treffen. Die Zusammenarbeit mit Nachbarwissenschaften, wie der Archäozoologie, Numismatik, Archäobotanik, Dendrochronologie, Geologie oder der Fernerkundung, ermöglicht es ein immer klareres Bild der Vergangenheit zu zeichnen. Die Anthropologie, ein eigener Fachbereich in der Abteilung Archäologie, liefert wichtige Erkenntnisse zur Lebensweise der Menschen früherer Epochen. Die Knochen und Zähne geben Auskunft über Alter, Geschlecht, Alltag, Krankheiten oder Todesursache. Dank der Forschungen ist bekannt, dass vereinzelt die Menschen in prähistorischen Zeiten durchaus ein stattliches Alter erreichen konnten.

Bewahren und Sichern . . .

Jedes einzelne Artefakt wird nach der Bergung in den Räumlichkeiten der Archäologie einer individuellen Reinigung, Inventarisierung, Beschriftung und Archivierung unterzogen. Alle gewonnenen Informationen zum Objekt sind in einer Datenbank erfasst: Der Fundort, die Fundumstände, eine Beschreibung des Zustands des Objekts, die Fotografien und die Pläne sind darin erfasst. Besonders sensibles Kulturgut wird im Restaurierungslabor weiteren Massnahmen unterzogen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachbereiche Restaurierung und Sammlung organisieren und überwachen die klimatischen und sicherheitstechnischen Bedingungen in der archäologischen Sammlung. Durch ihre Arbeit gewährleisten sie, dass die «Schätze der Vergangenheit» zukünftigen Generationen erhalten bleiben.

. . . Forschen und Vermitteln

Die Verantwortlichkeiten und Pflichten der Abteilung Archäologie sind vielfältig: Wir beraten und informieren im Zusammenhang mit Bauvorhaben. So ist gewährleistet, dass allenfalls nötige Massnahmen in Koordination mit allen Beteiligten termingerecht umgesetzt werden. Schwieriger gestaltet sich hingegen der Schutz von z.B. im Wald befindlichen Kulturgütern, wo immer wieder Metallsondengänger illegale Raubgrabungen durchführen. Daher sind wir und die Landespolizei froh um Hinweise der aufmerksamen Bevölkerung. So lässt sich verhindern, dass unser Kulturgut in privaten Kellern verschwindet oder durch unsachgemässe Behandlung oder Lagerung zerstört wird. Vielmehr soll unser kulturelles Erbe der Öffentlichkeit sowie der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen und in Form von Publikationen, Ausstellungen oder Führungen archäologische Erkenntnisse vermittelt werden.