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60Plus | 300 Jahre | November, 2019
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Das Palais Liechtenstein 
in Feldkirch

Die Geschichte des Palais Liechtenstein in der Schlossergasse 8 in Feldkirch geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Im Auftrag von Fürst Johann Adam Andreas Liechtenstein wurde in den Jahren 1658 bis 1697 durch den Hofbaumeister Gallus Apeller ein Palais im barocken Stil errichtet und in die Nutzung als Liechtensteinisches Amtshaus übergeführt. Das Amtshaus wurde im Jahre 1719 Verwaltungssitz der Herrschaft Schellenberg (1699) und der Grafschaft Vaduz (1712). Am 14. Oktober 1774 wurde es von den Fürsten von Liechtenstein an Kirchenpfleger Längle verkauft. Das Gebäude trägt heute noch den Namen Palais Liechtenstein.

Lesen Sie nachstehend den Beitrag von Mag. Dr. Hans Gruber, Stadtbibliothekar von Feldkirch.

Vom 23. März 2018 bis zum 29. September 2019 wurde anlässlich des 800-jährigen Jubiläums der Stadt Feldkirch eine Ausstellung in 23 Räumen des Palais Liechtenstein gezeigt. Knapp 37 000 Personen besuchten die Ausstellung «Von Hugo bis dato», mehr als tausend Führungen wurden angeboten.

Viele der Gäste fragten nach dem Namen des Hauses. Woher stamme dieser und in welcher Beziehung stehe denn das Haus zum Fürstentum Liechtenstein?

Vorgeschichte

Das Palais Liechtenstein in Feldkirch weist eine lange und wechselvolle Geschichte auf. Das Vorgängergebäude befand sich einst im Besitz der Familie Brock von Weißenberg und beherbergte ab 1658 das Hubamt, eine Art Finanz- und Steuerbehörde. Dieses wurde beim großen Stadtbrand von 1697, dem mehr als 150 Häuser zum Opfer fielen, völlig zerstört.

Das liechtensteinische Amtshaus

Als Fürst Hans Adam von Liechtenstein 1699 die reichsunmittelbare Herrschaft Schellenberg von den hochverschuldeten Hohenemser Grafen käuflich erwarb, musste ein Verwaltungssitz gefunden werden. Das heutige Liechtenstein bestand nämlich aus bäuerlichen Dörfern, die nicht an die damaligen Wirtschafts- und Informationskanäle angeschlossen waren und nicht über die notwendige Infrastruktur verfügten, das Land effizient zu verwalten. Deshalb kaufte der Landvogt der Herrschaft Schellenberg im Namen des Fürsten in der nächstgelegenen Stadt Feldkirch die Brandruine des ehemaligen Hubamtes zum Preis von 1150 Gulden. Hier ließ er von dem Innsbrucker Baumeister Gallus Apeller ab 1701 ein Amtshaus errichten, einen dreigeschossigen Bau mit sichtbar herrschaftlichem Anspruch. 

In einer Urkunde wurde festgehalten, dass die Liechtensteiner dem Stadtmagistrat die hohe und niedere Gerichtsbarkeit zustanden, die Entrichtung der Steuern wurde festgelegt, und der Fürst verpflichtete sich, in Feldkirch keine weiteren Häuser, Gärten oder Weinreben zu erwerben. Dafür gewährten die Feldkircher dem Fürsten und seinen Beamten die gleichen Rechte, wie sie ein Stadtbürger besaß. Fortan diente das Haus in erster Linie als Amtswohnung des liechtensteinischen Landvogts. 

1719 wurden die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz dann zu einem Reichsfürstentum unter dem Namen Liechtenstein erhoben.

Als der Fürst von Liechtenstein 1712 auch die Grafschaft Vaduz von den Hohenemser Grafen erwarb, war der entsprechende Vertrag teilweise im neu erbauten Feldkircher Amtsgebäude ausverhandelt worden. 1719 wurden die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz dann zu einem Reichsfürstentum unter dem Namen Liechtenstein erhoben. Das Fürstentum feiert 2019 das dreihundertjährige Jubiläum dieses Ereignisses, das sich zu einem kleinen Teil auch in der Geschichte des Feldkircher Palais Liechtenstein manifestiert. 

Die fürstlichen Landvögte residierten dann bis 1774 in Feldkirch. Teilweise wohnten sie ganzjährig hier, teilweise verbrachten sie die Sommermonate im Schloss Vaduz.

Das Palais im Besitz Feldkircher Bürger

Mit dem Verkauf an den Feldkircher Kirchenpfleger Sebastian Längle ging das Haus wieder in stadtbürgerlichen Besitz über. Längle vererbte das Gebäude an seine Schwester Maria Anna Meusburger. 1808 ersteigerte es dann der Feldkircher Josef Anton Häusle, der eine Brauerei und das Gasthaus Krone einrichtete. Wiederum bei einer Versteigerung erwarb es der aus Göfis stammende Christian Getzner. Getzner kann als Industriepionier in Feldkirch gelten, der u.a. die Firma Getzner, Mutter & Cie. gründete. Er betrieb im Palais Liechtenstein die Brauerei und das Gasthaus weiter, richtete hier aber auch eine Textilproduktion und die erste Rotfärberei Vorarlbergs ein. Doch bald sah er sich nach einem frühen «Umweltskandal» gezwungen, Textilproduktion und Rotfärberei in die Felsenau außerhalb der Stadt zu verlegen. Mitte der 1830er Jahre gab Getzner die Brauerei und das Gasthaus auf und konzentrierte sich fortan auf die Textilerzeugung.

Auf dem Erbweg gelangte das Palais 1848 an den Neffen Christian Getzners, Andreas Tschavoll. Dieser vererbte es 1859 wiederum seinem Sohn, dem später von Kaiser Franz Joseph geadelten Josef Andreas Ritter von Tschavoll. Letzterer war zweifellos einer der bedeutendsten Gestalten der Feldkircher Geschichte im 19. Jahrhundert. Von 1873 bis 1879 und von 1883 bis 1884 bekleidete er das Amt des Bürgermeisters, von 1874 bis 1884 fungierte er als Vertreter der Stadt im Landtag. Darüber hinaus wirkte er als Mäzen, initiierte die Restaurierung der Stadtpfarrkirche, den Bau der Kapfstraße, und stiftete den nach ihm benannten Stadtpark (heute Rösslepark) mit dazugehörigem Kurhaus. Der liberale Bildungsbürger baute auch eine beachtliche Bibliothek mit ca. 3000 Büchern auf, die sich heute noch im Bestand der Stadtbibliothek Feldkirch befindet.

Nach dem Tod von Josef Andreas Ritter von Tschavoll erbten seine Kinder Emma, Karl und Isabella 1885 das Haus. Sein Wert wurde damals auf 20 000 Gulden geschätzt. Karl Ritter von Tschavoll erwarb später die Anteile seiner Geschwister und wurde 1898 Alleinbesitzer des Hauses. 1940 vererbte er es seiner Schwester Isabella Gohm, die es ihrerseits 1944 ihrem Ehemann und Altbürgermeister Anton Gohm vermachte. 

Die Lesegesellschaft

Bereits 1812 wurde im Palais Liechtenstein eine Lesegesellschaft, bald schon mit angeschlossenem Billard, eingerichtet. Lesegesellschaften bedeuteten ein wichtiges Informationsinstrumentarium für das politisch aufstrebende Bürgertum zu Anfang des 19. Jahrhunderts und stellten allgemeinbildende Literatur zur Verfügung. Ziel der Feldkircher Lesegesellschaft war ein «die Bildung des Geistes befördernder angenehmer Umgang». Angeboten wurden neben Büchern die Abonnements von über zehn Zeitungen (u.a. «Jenaer Literaturzeitung» und «Feldkircher Wochenblatt»). Noch heute befinden sich das «Morgenblatt» und die «Katholischen Blätter» im Bestand der Stadtbibliothek Feldkirch. Genutzt wurde der Leseverein in erster Linie von Feldkircher Bürgern – Beamten, Geistlichen, Ärzten und Kaufleuten. Doch es wurden auch Mitglieder aus der näheren Region aufgenommen, so aus Vaduz, Rankweil, Göfis, Weiler und Bludenz. Damit wirkte die Institution weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Christian Getzner hatte nicht nur die Brauerei und das Gasthaus von Josef Anton Häusle übernommen, sondern auch die Lesegesellschaft weitergeführt. Er erlaubte nun aber auch Nichtmitgliedern der Lesegesellschaft die Benutzung des Billards.

Doch schon bald kam es zu einem Zerwürfnis. Christian Getzner hatte nicht nur die Brauerei und das Gasthaus von Josef Anton Häusle übernommen, sondern auch die Lesegesellschaft weitergeführt. Er erlaubte nun aber auch Nichtmitgliedern der Lesegesellschaft die Benutzung des Billards. Nach einigen Ermahnungen, die von ihm ignoriert worden waren, zog der Leseverein in das Gasthaus Ochsen in der Marktgasse. 1868 wurde der Leseverein vom liberalen «Verein der Verfassungsfreunde» reaktiviert und fand ab 1876 eine Heimstatt im von Josef Andreas Ritter von Tschavoll gestifteten Kurhaus im heutigen Rösslepark. 

Das Palais im Besitz der Stadt Feldkirch

Von Anton Gohms Erben bzw. Rechtsnachfolgern kaufte die Stadt Feldkirch schrittweise das Gebäude. Nachdem sie 1967 Alleinbesitzerin geworden war, wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Das herrschaftliche Haus in der Schlossergasse kann wohl als eines der bedeutendsten Gebäude der Feldkircher Altstadt bezeichnet werden und zählt zu den wenigen erhaltenen Stadtpalais des Landes Vorarlberg. Das fürstliche liechtensteinische Wappen über dem barocken Hauptportal weist eindrücklich auf die Nutzung des Hauses als fürstliches Amtshaus hin. Bemerkenswert ist der große quadratische Innenhof, der das barocke Gepräge des Hauses unterstreicht.

1972 konnte das Stadtarchiv im Palais seine neuen Räumlichkeiten beziehen, 1979 wurde die Stadtbibliothek eröffnet. 2018 fungierte das Gebäude als zentraler Ort der Jubiläumsfeierlichkeiten «800 Jahre Stadt Feldkirch». Aus diesem Anlass wurde das Gebäude in weiten Teilen restauriert, ohne dass wesentliche Änderungen an der Substanz vorgenommen worden wären.