von Mathias Ospelt
Der Mundartbeitrag in der letzten Ausgabe des «60PLUS» widmete sich ganz der heimischen Vogelwelt. Dabei wurden die frei lebenden Vögel wie z. B. die Singvögel Amsel, Drossel, Fink und Star, aber auch andere gefiederte Freunde wie der Tschiwigg (Steinkauz) oder der Jäk (Eichelhäher) aus der Sicht des Dialekts betrachtet. In der vorliegenden Kolumne dreht sich nun alles um Liechtensteiner Flurbezeichnungen, die sich auf verschiedenste Weise auf Vögel zurückführen lassen.
Es gibt etliche Gründe, wie ein Flurname zu seinem Namen «kommt», den meisten dieser Bezeichnungen liegen jedoch alte Lage- und Nutzungsbezeichnungen in der jeweiligen Sprache der einstigen Besiedler zugrunde. In Liechtenstein sind die meisten dieser Namen keltischen, rätoromanischen oder alemannischen Ursprungs. Aufgrund der vorherrschenden Gegebenheiten (Berg/Tal, vielfältige Fauna, Landwirtschaft) spielen hierzulande bei den Bezeichnungen oftmals Tiere eine Rolle als Namensgeber. Dies durch das besondere Aussehen einer Naturformation (z. B. Hanaköpfle) oder durch das (häufige) Auftreten einer Tierart in einem bestimmten Gelände. Sei dies auf natürlichem Wege (z. B. Storchaböchel) oder durch Zucht (z. B. Schafboda). Dabei bilden gerade Vögel gerne den Hintergrund für den Namen einer Flur und dies gilt ganz besonders in der Bergregion.
Geier, Spielhahn, Kuckuck, Rabe
Treffen wir in der lokalen Flurnamenforschung auf den mundartlichen Namen Gir, so wird damit in der Regel ein Geier bezeichnet, es kann sich aber laut dem Vorarlberger Mundartexperten Leo Jutz auch um einen grossen Raubvogel, speziell einen Adler handeln. So bezeichnen Liechtensteiner Flurnamen auf Gir wie Giranest (Balzers) oder Girastein (Vaduz) Orte, wo sich ein Adlerhorst befand oder sogar noch heute befindet. Die Guschner Gir (B), die auch nur Gir oder Wörznerhorn genannt wird, geht vermutlich auf einen ursprünglichen Namen *Giraspitz oder ähnliches zurück und wurde irgendwann verkürzt.
Bei dem Balzner Flurnamen Hanaköpfle könnte es sich entweder um einen Felskopf handeln, wo sich Spielhähne aufhalten, oder um einen Felskopf, der dem Kopf eines Haushahnes ähnelt.
In unserer Bergwelt trifft man bei Flurbezeichnungen häufig auch auf den Wortteil Hahn- bzw. Haana-. Dies hat nun nichts mit dem Haustier Hahn (Mundart: Güggel) zu tun, sondern bezieht sich auf den Spiel- bzw. Birkhahn. So verweisen Flurnamen wie Hahnenspiel (V), Hanaspel (Triesen), Hanaspil (Triesenberg) und Hanaböda (Planken, Eschen) auf Orte, an denen der Spielhahn balzt. Bei dem Balzner Flurnamen Hanaköpfle könnte es sich entweder um einen Felskopf handeln, wo sich Spielhähne aufhalten, oder um einen Felskopf, der dem Kopf eines Haushahnes ähnelt. Manchmal lässt sich die ursprüngliche Bedeutung eines Flurnamen aufgrund der vergangenen Zeit leider nicht mehr hundertprozentig genau bestimmen.
Auch der Kuckuck bzw. der Gugger fand seinen Eingang in die einheimischen Flurnamen und zwar in drei Gemeinden (Tb, S und P) unter dem Namen Guggerboda. Es handelt sich hierbei also um einen Ort, wo der Gugger ruft. Da dem Kuckuck früher etwas Unheimliches und Dämonisches nachgesagt wurde, was vermutlich auch damit zu tun hat, dass man ihn selten zu Gesicht bekommt, galten diese oftmals auch sehr abgelegenen Orte als gespenstisch.
Rapp ist der mundartliche Name sowohl für den Kolkraben als auch für die Krähe und die Dohle. Es überrascht daher nicht, dass dieser Vogelname als Bestandteil etlicher Flurnamen auftaucht wie in Rappastein (B, T, V), also ein Fels, auf dem die Raben sitzen, oder Rappasteinhalda (B), Rappasteinröfi (V) und Rappawäle (Mauren), im Sinne von einem kleinen Wald, wo sich die Raben aufhalten. Eine aus dialektologischer Sicht etwas seltsame Ausnahme bildet dabei der Chrejabühel am Triesenberg, da es sich bei Chreja (Krähe) nicht unbedingt um einen alten Mundartausdruck handelt.
Gänse- und Hühnervögel
In der Talregion sind bei Flurnamen mit einem ornithologischen Hintergrund vor allem gefiederte Haustiere vertreten. So finden wir in Balzers das Entamoos, also ein Riedgebiet, wo sich Enten aufhalten, sowie in Mauren den Gesabach (Bach, wo sich Gänse aufhalten) und am Schellenberg die Gansegeta, ein ehemaliger Acker, wo Gänse geweidet wurden. Der Ganser in Schaan lässt eine ähnliche Deutung vermuten, allerdings geht man hier von einem ausgestorbenen Flurnamen *Gansers (= Gassners) Wingert aus.
Spezialfälle sind der Triesner Hennasedel, ein Berggrat, der hoch gelegen und schmal wie eine Hühnerstange (Sedel) ist, sowie ebenfalls in Triesen der Hennawibliboda, ein ebener Platz, der einem «Hühnerweib», also einer Frau gehörte, die mit Hühnern und Eiern handelte.
Meint man in den Bergen den Spiel- bzw. den Birkhahn, wenn man, wie oben erwähnt, vom Hahna/Haana oder der Henna spricht, so meint man im Tal normalerweise den Haushahn bzw. die Henne. So gibt es in Schaan die Hennafarm und in Eschen den Hennaböchel. Spezialfälle sind der Triesner Hennasedel, ein Berggrat, der hoch gelegen und schmal wie eine Hühnerstange (Sedel) ist, sowie ebenfalls in Triesen der Hennawibliboda, ein ebener Platz, der einem «Hühnerweib», also einer Frau gehörte, die mit Hühnern und Eiern handelte. Und in früheren Zeiten wurde laut dem ehemaligen Regierungschef Joseph Ospelt der Eschnerberg als Hennaland bezeichnet. Vermutlich, weil hier auffallend viel Hühnerzucht betrieben wurde.
Hobby-Namenkundler mit etwas Lateinkenntnissen mögen auch den Galinakopf (B) oder schlicht Galina (B, S) auf lat. gallina (die Henne) zurückführen. So prangt denn auch ein Hahn auf dem Logo des Schaaner Volleyballclubs VBC Galina. Allerdings geht Galina auf rätoromanisch caglia zurück, was Strauch, Staude, Busch oder Gebüsch bedeutet und verwandt ist mit Flurnamen wie Tschagäl (S) (Haus mit Stauden), Runggalina (Tb) (Staudenreute) und Geladunga (T) (rundes Staudengebiet).
Die Schreibung und Deutung der in diesem Beitrag erwähnten Flurnamen entsprechen den wissenschaftlich fundierten Angaben des Liechtensteiner Namensbuches. Bei einer allfälligen Unzufriedenheit mit dem Gelesenen möge man sich bitte direkt mit dem Namenbuch in Verbindung setzen.