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60Plus | Fokus | März, 2023
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Nachfolgeregelung ohne schlaflose Nächte

von Gabi Eberle 

Familienunternehmen sind die häufigste Unternehmensform weltweit. Das eigene Lebenswerk abzugeben, ist nicht nur mit Emotionen verbunden. Auf dem Weg zu einer guten Nachfolgelösung – vom Landwirtschaftsbetrieb bis zum Treuunternehmen – spielen auch regulatorische, steuerliche und kommunikative Aspekte mit. Bei der Interadvice Anstalt in Vaduz, ein Treuunternehmen,1922 gegründet, hat der Generationenwechsel funktioniert. 

2017 haben Sie, Herr Kieber, den Betrieb an Ihren Sohn Philipp übergeben. Die Frage der Nachfolge stellt sich eines Tages jedem Familienunternehmen. Wann war das bei Ihnen?

Georg Kieber: Die Frage der Nachfolge begleitet einen im Unterbewusstsein, unabhängig vom Alter, fast immer, denn man hat zum eigenen Betrieb nicht nur eine berufliche, sondern auch eine emotionale Beziehung. Da sich unser Sohn Philipp für den Einstieg interessierte, war der schrittweise Verlauf von seiner Einarbeitung im Unternehmen, zum Mitglied der Geschäftsleitung und schliesslich die Übertragung der Firmenanteile an ihn vorgezeichnet. Da ein Bischof mit 75 seine Demission einreicht, wollte ich etwas spontaner sein und plante die vollständige Übergabe des Betriebes an ihn auf meinen 72. Geburtstag, blieb der Firma jedoch als Mitarbeiter erhalten.

Der Fokus bei einer Unternehmensübergabe liegt oft auf fachtechnischen Themen wie Rechts- und Steuerfragen. Da gibt es aber auch die Familie und deren Bedürfnisse.

G. K.: Während der aktiven Berufszeit ist die Familie vom Zeiteinsatz, von Belastungen und vom Erfolg oder Misserfolg des eigenen Unternehmens direkt betroffen; sie wurde vielleicht zeitweise vernachlässigt. Umso mehr gilt es, im nun gewonnenen, grösseren Freiraum auf deren Bedürfnisse Bedacht zu nehmen. Es ist klug, in guten Zeiten, so Gott dies wollte, Vorsorge zu treffen. Ein grosses Privileg ist es, den Betrieb in guten Händen zu wissen und zu sehen, dass die Familie auch im dritten Lebensabschnitt den gewohnten Lebensstandard weiterführen kann und sich neben den üblichen Alterswehwehchen die materiellen und beruflichen Sorgen in Grenzen halten. 

Die Zusammenarbeit mit Treuhändern ist für viele Unternehmen Chefsache. Wie haben Sie Ihre Kunden auf die Übergabe vorbereitet?

G. K.: Es stimmt, die Geschäftsbeziehungen im Treuhandbereich sind sehr persönlich. Andererseits sind die Kunden gerade im Treuhandbereich infolge dieser persönlichen Dienstleistungen sehr an der Kontinuität des Betriebes interessiert. Ich erinnere mich, als junger Treuhänder sagte mir eine Kunde bei jedem Besuch: «Wenn ich in einen Baum fahre, stehen Ihnen meine schriftlichen Weisungen als Fahrplan zur Verfügung.» Und ich verstand, dass er sagen wollte: Und wenn Sie in einen Baum fahren, hoffe ich, dass auch Sie Ihre Nachfolge im Betrieb geregelt haben. Die Übergabe an Philipp erfolgte kontinuierlich; die Kunden waren froh, ihn ohne Zwang und Dringlichkeit kennenzulernen und zu sehen, dass die professionelle Betreuung ihrer Mandate von mir unabhängig gewährleistet ist.

Über mögliches Konfliktpotenzial kann ich daher nur spekulieren. Was ich schon hörte: Der «Alte» ist unzufrieden und misstrauisch, weil es die «Jungen» nicht genau so tun, wie er es sein Leben lang tat, oder umgekehrt, die «Jungen» stellen alles auf den Kopf, wissen alles besser und lassen nichts wie es war. 

Wo kann es im Nachfolgeprozess Konfliktpotenzial geben?

G. K.: Ohne Beschönigung kann ich sagen, dass der Nachfolgeprozess in unserem Betrieb sehr einvernehmlich verlaufen ist. Über mögliches Konfliktpotenzial kann ich daher nur spekulieren. Was ich schon hörte: Der «Alte» ist unzufrieden und misstrauisch, weil es die «Jungen» nicht genau so tun, wie er es sein Leben lang tat, oder umgekehrt, die «Jungen» stellen alles auf den Kopf, wissen alles besser und lassen nichts wie es war. Konfliktpotenzial gibt es in so vielen Variationen wie es Menschen gibt.

Kann eine Begleitung von aussen, sprich Mediation, Sinn machen?

Mit einer Mediation für die Nachfolge machte ich eine kurzfristige Erfahrung. Aber schnell empfand ich mich von einem betriebswirtschaftlichen Handbuch gesteuert. Ich war zu eigensinnig für diese Beratung. Und überhaupt bin ich skeptisch gegenüber langfristiger, starrer Planung, weil sich die Wirklichkeit nur selten daran hält. Damit möchte ich aber auf keinen Fall sagen, dass eine Begleitung von aussen für andere oder unter bestimmten Gegebenheiten nicht sinnvoll ist.

Ihre fünf «big points», welche eine gelingende Nachfolgeregelung ausmachen?

G. K.: Ich fühle mich nicht berufen, gute Ratschläge für eine Nachfolgeregelung zu geben. Spontan vielleicht: 1. Klarheit, dass die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit sinkt und das Leben endet. 2. Ich bin nicht (mehr) der Beste. Die Jungen haben eine aktuellere Ausbildung und ein besseres Verständnis für das sich stets verändernde berufliche Umfeld. 3. Loslassen. 4. Ratschläge sind auch Schläge. 5. Beobachten, anerkennen, nicht nörgeln, sich an der neuen Freiheit freuen.

Nach wie vor sind Sie Mitglied der Geschäftsleitung. Heisst das, noch täglich im Büro sein fixe Aufgaben erledigen? 

G. K.: Natürlich bin ich nicht mehr der Erste (war ich zwar selten) und Letzte im Büro. Ich bin befreit von Knochenarbeit. Das Zeitmanagement ist flexibler. Ich bin zwar leitend, aber im Hintergrund tätig. Mit zunehmendem Alter ist es gut und es erhält jung, wenn man angemessene Aufgaben wahrnehmen darf und kann.

Was hat sich für Sie, Philipp Kieber, verändert, seit Sie das Zepter im Familienunternehmen in 4. Generation übernommen haben?

Philipp Kieber: Es gab, abgesehen vom formellen Übertrag der Anteile, keine Zepter-Übergabe, die nach innen oder aussen hätte wahrgenommen werden können. Es war ein fliesender Prozess. Ich bin in die Firma als Sachbearbeiter eingestiegen und habe berufsbegleitend noch an der Universität Liechtenstein studiert. Nach Abschluss des Studiums übernahm ich Mandatsleitungen und wurde schliesslich Mitglied der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates.

Wo liegen die Knackpunkte bei einer Nachfolge innerhalb eines Familienunternehmens? 

P. K.: Ich kann mich nicht an Knackpunkte (Konflikte) erinnern, die es bei der Übergabe gegeben hat. Dies wahrscheinlich auch deshalb, weil diese keinem strikten Plan gefolgt ist. Ich war bereits seit längerer Zeit im Unternehmen tätigt und hatte dadurch Zeit, mich nach und nach in die verschiedenen Aufgaben einzuarbeiten und mich mit neuen Verantwortlichkeiten vertraut zu machen. Mein Vater hingegen konnte sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Ich denke, dieser Ablauf hat sich positiv ausgewirkt.

«Bei der Kundenbetreuung pflegen mein Vater und ich ganz natürlich einen ähnlichen Stil, und diese Ähnlichkeit im Umgang und den Begegnungen ist gut angenommen worden. Bei der internen Organisation konnte ich neue Ideen und eigene Vorstellungen einbringen und hatte dabei grosse Freiheiten.»

Generationenbedingt gibt es Unterschiede in Handlungs- und Arbeitsweisen. Wie lässt sich damit umgehen?

P. K.: Zum einen gibt es die direkte Kundenbetreuung, zum anderen die interne Organisation des Büros und, nicht zuletzt, die Regulierungen. Bei der Kundenbetreuung pflegen mein Vater und ich ganz natürlich einen ähnlichen Stil, und diese Ähnlichkeit im Umgang und den Begegnungen ist gut angenommen worden. Bei der internen Organisation konnte ich neue Ideen und eigene Vorstellungen einbringen und hatte dabei grosse Freiheiten. Bei der Regulierung sind die Vorgaben klar gegeben und der Spielraum ist klein. Hier konnte ich moderne und ziemlich umfassende Digitalisierungsschritte einführen. In diesem Bereich hatte ich den Eindruck, dass mein Vater froh war, sich nicht mehr im Detail damit auseinanderzusetzen zu müssen.

Was gilt es bei der innerfamiliären Nachfolge hinsichtlich der Angestellten zu beachten?

P. K.: Es ist erfreulich, dass wir in unserem Büro auf langjährige MitarbeiterInnen zählen können. Für diese gab es auf meinem längeren Weg bis zum Betriebsinhaber nie die Situation, plötzlich einem neuen Chef mit unbekannten Managementmethoden gegenüberzustehen. Dazu kommt, dass wir eine flache Hierarchie haben. Wir sind Arbeitskollegen, nicht Chef und Untergebene. Allerdings hat mir mein Vater die Personalverantwortung früh vollständig übertragen. Ich führe Bewerbungs-, Personal- und Lohngespräche. Das war für mich teilweise eine Herausforderung, für das Personal war es wohl eine vorhersehbare, natürliche Veränderung.

Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach gegeben sein, damit eine Nachfolge wirtschaftlich und personell gelingt?

P. K.: Es benötigt Offenheit und Vertrauen auf beiden Seiten. Wenn das Unternehmen erfolgreich war, möchte man natürlich die Komponenten, die zum Erfolg führten, weiter pflegen. Aber man ist auch Vertreter einer neuen Generation und in die sehr tiefgreifenden Veränderungen, die den Treuhandbereich die letzten Jahre prägen, selbstverständlich hineingewachsen. Wenn einem, wie bei mir, genügend Freiraum gegeben wird, macht es Freude, als Unternehmer tätig zu sein. Man eruiert neue Geschäftsfelder oder nimmt Anpassungen von Strukturen und Abläufen vor. Wenn dies mit menschlicher Rücksicht, Mut und Sorgfalt geschieht, sollte der Weg erfolgreich sein.