von Gabi Eberle
Freundschaften unterliegen oft der Dynamik des eigenen Lebens: Umzug, Scheidung, Stellenwechsel, Rentenantritt, gesundheitliche Gründe, Todesfälle. Die Rolle, die man jahrelang innehatte wie zum Beispiel die der Eltern, des Berufstätigen, mitunter des Partners brechen weg. Man selbst oder das Gegenüber verändert, entwickelt sich – Beziehungen, die lange Jahre gepasst hatten, fühlen sich plötzlich fremd an, Treffen werden weniger, bleiben mit der Zeit ganz aus. Jedoch ist der Mensch ein soziales Wesen, braucht den Kontakt zu seinen Mitmenschen.
Echte soziale Unterstützung federt Stress ab, sorgt für ein Wohlgefühl und stärkt die Abwehrkräfte von Körper und Seele. Somit tragen soziale Beziehungen zur mentalen, emotionalen und körperlichen Gesundheit bei. Sich zugehörig fühlen tut gut. Freundschaft ist ein wertvolles Gut, welches vor allem auf beiderseitigem Vertrauen, Zuhören und füreinander Dasein aufbaut. Dass man vor dem anderen auch mal Schwäche zugeben und schwierige Zeiten gemeinsam leichter überstehen kann. Natürlich ist es nicht immer möglich, Freundschaften so zu pflegen, dass man sich regelmässig sieht. Eine Nachricht zwischendurch oder ein längeres Telefonat kann ausreichen, um den Austausch zu bewahren, doch ersetzt dies nicht den persönlichen Kontakt im realen Leben.
Forscher der Positiven Psychologie sagen, dass soziale Isolation dazu führen kann, dass sich das sogenannte prosoziale Verhalten verringert, also freiwillige Handlungen, die anderen Personen helfen, ohne dass es dabei um eigene Interessen geht. Nimmt dieses Verhalten ab, kann der soziale Zusammenhalt dadurch zusätzlich geschwächt werden. Deshalb ist es ratsam, auch in der 3. und 4. Lebensphase bestehende Kontakte zu pflegen oder neue zu knüpfen.
Alles unterliegt dem Wandel
Die erwachsenen Kinder studieren, arbeiten, wohnen immer öfter im Ausland, gründen dort vielleicht sogar eine Familie. Geschlechterbilder lösen sich auf, Bindungen teilweise auch. Die Zeit ist schnelllebig, das digitale Zeitalter hat längst Einzug gehalten. Es wird geschätzt, dass im Jahr 1993 lediglich 3 % der weltweiten Informationsspeicherkapazität digital war, 2007 bereits 94 %. Die digitalen Technologien haben einen prägenden Einfluss auf das Leben der Menschen, im positiven wie negativen Sinn. Früher war es gesellschaftlich akzeptiert, spontan vorbeizukommen. Es gab kein Whatsapp, telefonieren war verhältnismässig teuer. Man musste sich besuchen, um nach dem Rechten zu schauen oder das Neueste zu erfahren. Dass heute jemand spontan an der Tür klingelt, kommt selten(er) vor. Privatsphäre wird in der individualisierten Welt grossgeschrieben, man will niemanden stören, sich nicht aufdrängen. Die (Freizeit-)Agenden sind vollgepackt, Treffen «werden lange vorher über diverse Messenger-Kanäle vereinbart.
Wo findet man neue Bekanntschaften? Kurse, Vorlesungen, Seniorengruppen, Lesekreis, Verein, Wander-/Sportgruppen, Freiwilligeneinsätze sind gute Möglichkeiten.
Selbst aktiv werden
Der Bekanntenkreis wird bei vielen älteren Menschen kleiner; man tut sich schwerer damit, neue soziale Kontakte zu knüpfen. Im besten Fall besteht eine Kombination zwischen langjährigen Freundschaftsbeziehungen, die durch gemeinsame Jugenderlebnisse oder Generationengemeinsamkeiten geprägt sind, und neuen freizeitbezogenen Beziehungen. Im hohen Lebensalter bzw. wenn alltagsbezogene Hilfeleistungen wichtiger werden, können auch freundschaftsnahe Hilfe- und Unterstützungsbeziehungen entstehen. Wo findet man neue Bekanntschaften? Kurse, Vorlesungen, Seniorengruppen, Lesekreis, Verein, Wander-/Sportgruppen, Freiwilligeneinsätze sind gute Möglichkeiten. Selbst aktiv werden, auch wenn es etwas Überwindung kostet, Einladungen zu sich nach Hause zum Kaffee oder einem «Znächtle» aussprechen und solche auch annehmen. Sich zurechtmachen, ein Café, eine Buchhandlung besuchen, wo sich nette Gespräche ergeben können.
Nichts muss, alles darf
Wie oft und in welcher Form freundschaftliche Beziehungen gepflegt werden möchten, ist individuell und typabhängig. Extrovertierte Menschen gehen mehr raus, spontan auf andere zu, mögen Unternehmungen in Gesellschaft. Wer eher introvertiert, gerne für sich ist, das Alleinsein geniesst und nicht das Bedürfnis hat, ständig von Menschen umgeben zu sein, weiss trotzdem gute Gesellschaft schätzen. Zweifelsohne sind soziale Verbindungen gut fürs Wohlbefinden. Doch kommt es nicht nur darauf an, sich mit Menschen zu umgeben, sondern darauf, dass einem diese guttun. Solche, die schlechte Laune verbreiten, Probleme gerne bei anderen abladen, ständig über andere reden, nicht zuhören, rufen negative Emotionen hervor. Es lohnt sich, die eigenen sozialen Kontakte in Gedanken durchzugehen: Fühlt man sich mit den betreffenden Personen geborgen, verstanden, entspannt oder eher gestresst und angespannt? Welche Kontakte werden als bereichernd, welche als neutral und welche als belastend empfunden? Sich von Letzteren zu lösen ist ratsam, denn diese rauben Kraft. Besser die Energie in Menschen investieren, die das Leben bereichern. Sollte sich das aus familiären Gründen schwierig gestalten, den Kontakt auf ein erforderliches Minimum begrenzen. Das kann erleichternd wirken und das Wohlergehen stärken.