Fluchen und Schimpfen, Teil 4. Von Mathias Ospelt
Bereits in früheren Ausgaben des «60Plus» widmeten sich spezielle Mundart-Beiträge den ursprünglichen Bedeutungen von mundartlichen Flüchen und Schimpfwörtern (Teil 1 und 2 erschienen in den Ausgaben 2 und 3 des Jahres 2018, Teil 3 in der Ausgabe 1 des Jahres 2020). Ein kürzlich erschienenes Dialekt-Wörterbuch bildet den Anlass, nochmals auf dieses Thema zurückzukommen und die Liste an Schmähworten
zu ergänzen.
Unter dem Titel «Flüche, andere Kraftausdrücke und verharmlosende Formen» führt der Vaduzer Markus Meier in «Vadoznerisch», einem Sprachbegleiter zur Vaduzer Mundart, auf sieben Seiten eine schöne Auswahl an nicht ganz stubenreinen, aber dennoch gerne gebrauchten Dialektausdrücken auf, mit denen sich die Einheimischen gerne «dütsch und düttlig» austauschen. In der aktuellen Ausgabe des «60plus» werden Bedeutungen und Ursprünge einiger dieser Ausdrücke erläutert.
Schoofseckl: Im Dialekt-Wörterbuch wird hierzu keine Bedeutung des Kraftausdrucks gegeben. Das wäre vermutlich auch überflüssig, dürfte dieses drastische Schimpfwort, dessen brüske Verwendung durchaus eine Geldstrafe nach sich ziehen kann, selbsterklärend sein. Die Herkunft dieses vorwiegend im alemannisch-schwäbischen Sprachraum gerne verwendeten Begriffes ist allerdings nicht hundertprozentig geklärt.
Seckl» (Sack) allein dient ja bereits als Bezeichnung für einen minderwertigen oder auch dummen Menschen.
An erster Stelle steht natürlich die Bedeutung, die am naheliegendsten ist und die die meisten Benutzer mit der Verwendung dieser drastischen Beleidigung auch im Sinn haben: die Geschlechtsorgane eines Schafbocks. «Seckl» (Sack) allein dient ja bereits als Bezeichnung für einen minderwertigen oder auch dummen Menschen. Wobei der Begriff aber durchaus auch positiv im Sinne einer Anerkennung benutzt werden kann (der Seckl hät‘s tatsächlig gschafft!). Das Präfix «Schoof» (Schaf) lässt aber nur mehr eine rein negative und vulgäre Bedeutung zu.
Eine andere Erklärung geht von dem Wort «schofel» aus, welches über das Rotwelsche aus dem Jiddischen entlehnt wurde und so viel wie «niedrig, gemein, lumpig» bedeutet. Dies stünde dann auch in Einklang mit dem alemannisch-schwäbischen Schimpfwort «Lumpasack», was dasselbe bedeuten würde.
Er bezieht den Begriff «Schoofseckl» auf das französische «Jean de Siècle».
Und eine dritte Herkunftserläuterung stammt vom ehemaligen Regierungschef und passionierten Dialektforscher Alexander Frick (1910–1991). Er bezieht den Begriff «Schoofseckl» auf das französische «Jean de Siècle». Wobei dies im Sinne einer euphemistischen Wortbildung wie wir dies von «Sakrament – Sack Zement» etc. kennen, eher umgekehrt sein müsste.
Sei es wie es will: 2019 führte das Schweizer Medienhaus Tamedia unter seinen Onlineleserinnen und -lesern eine Umfrage nach dem beliebtesten Deutschschweizer Dialektwort durch. In der allgemeinen Wertung belegte der «Schoofseckl/-säcku etc.» hinter «Chrüsimüsi» und «amigs» den dritten Platz. In der Einzelwertung der Männer belegte das Schimpfwort aber den ersten Platz.
Seit dem 19. Jahrhundert wird es in der Deutschschweiz auch im Sinne von «sehr» zur Verstärkung von Adjektiven verwendet. Dies kann sowohl positiv (huara guat) als auch negativ (huara Seich) gemeint sein.
Huara Seich (Unangenehme, blöde Situation): Das Lexem «huara» geht tatsächlich auf das Wort «Hure» zurück. Seit dem 19. Jahrhundert wird es in der Deutschschweiz auch im Sinne von «sehr» zur Verstärkung von Adjektiven verwendet. Dies kann sowohl positiv (huara guat) als auch negativ (huara Seich) gemeint sein. Seit wann es in Liechtenstein verwendet wird, ist unbekannt. Vermehrt tritt es auch mit dem Präfix «uu-» auf: z. B. «uuhuara Schwein ha» (sehr grosses Glück haben). «uu» kann aber auch alleine stehen: «uu Schwein ha».
Vor allem im Wallis wird auch die Meinung vertreten, dass «(uu)huara» ursprünglich von der Verstärkung «üghüür» (ungeheuer) stammt: daher z. B. «(üü)hüeregüet».
Ölgötz (etwas einfältige Person): Heinz Küpper beschreibt in seinem «Illustrierten Lexikon» den «Ölgötzen» als eine stumm und steif herumsitzende oder stehende Person, die nichts zur Unterhaltung beiträgt oder sich dumm stellt. Nachweisbar ist der Begriff ab dem 16. Jahrhundert, wobei die ursprüngliche Bezeichnung «Ölberggötze» lautete, da sie sich auf die im Ölgarten am Ölberg eingeschlafenen Jünger Jesu bezog. Für Reformatoren wie z. B. Zwingli diente der Begriff als Spottbezeichnung für die Heiligenbilder in den katholischen Kirchen und demzufolge später auch allgemein für Katholiken, da sie diese Bilder anbeteten.
Schotzli/e (einer, der unüberlegt, ungestüm handelt): Dieser Begriff dürfte den meisten Liechtensteinern in Kombination mit «Tohri/e» bekannt sein, prangen doch diese beiden Bezeichnungen als Adressaten auf dem Titel der Schaaner Fasnachtszeitung «Wingertesel». Beide Benennungen bedeuten ungefähr dasselbe: Es geht um Menschen, die fahrig und unüberlegt «schutzlig» sind bzw. «törlen». Wobei der «Schotzli/e» eher hastig unterwegs ist und der «Tohri/e» (weiblich: «Tohra») eher langsam. Beiden gemeinsam ist, dass ihr Tun jeweils in einer Sauerei oder gar Katastrophe endet. Verwandte Begriffe im Deutschen sind «Schussel» und «Tor». In Liechtenstein existiert auch der Ausspruch «Du muascht net all a so schotzla!» (Nimm es ruhiger!)
Zum einen führt das Wörterbuch die Bedeutung «Trödler» an. Dann ist ein «Söderi/e» auch einer, der – ähnlich dem «Tohri/e» – vor allem bei flüssigen Speisen unachtsam und unreinlich ist (Leo Jutz).
Söderi/e (Trödler): Zu diesem Begriff lassen sich drei Deutungen finden: Zum einen führt das Wörterbuch die Bedeutung «Trödler» an. Dann ist ein «Söderi/e» auch einer, der – ähnlich dem «Tohri/e» – vor allem bei flüssigen Speisen unachtsam und unreinlich ist (Leo Jutz). Das entsprechende Verb hierzu lautet: «södera» (sudeln, verschütten). Als Synonym existiert auch «Trieli/e». Gemäss Schweizerischem Idiotikon handelt es sich bei einem «Söderi» um einen «alten, griesgrämigen, unausstehlichen Mann». Unser «Söderi/e» heisst in der Deutschschweiz «Süderi» und kann auch «Schwätzer» bedeuten.
Trümmsli/e (unsteter, unstrukturierter Tagträumer): Laut Jutz handelt es sich bei einem «Trümsle» (weiblich: «Trümsla») um einen langweiligen, langsamen Menschen. Als Synonym führt er «Leimsieder» auf. Es ist also eine Person, die «trümslet», d. h. bei der Arbeit nicht vorwärtskommt. Der Vorarlberger «Trümmle» wiederum ist ein unsicher gehender, unbeholfener Mann, aber auch ein unzuverlässiger Mensch, ein Nichtsnutz, was der hiesigen Bedeutung entspricht.
Tschooli/e (gutmütiger, gutgläubiger Mensch): Ein «Tschooli/e» ist ein einfältiger, gutmütig beschränkter Kerl. Häufig wird der Begriff spöttisch, aber nicht boshaft verwendet. Im Vorarlberg findet sich die Form «Tschale». In der Landwirtschaft nannte man früher auch gutartige Pferde oder Kühe «Tschooli/e».
Saara Bitzgi (Ausruf des Erstaunens): Dieser Ausruf gibt Rätsel auf. Aber vielleicht weiss eine Leserin oder ein Leser mehr. Vielleicht handelt es sich hier um eine derjenigen Formen, die vor Urzeiten im Zusammenhang mit dem 2. Gebot der Gotteslästerung «euphemisiert» wurden (siehe hierzu die Ausführungen in Heft 2/2018). So wurde z. B. der Fluch «Herrgott Sakrament!» in das bekannte «Härgo(tt) Saara!» (so wie «Gopfertammi!» in «Gopfried Stutz!») umgewandelt. «Saara» könnte also auch in diesem Fall auf «Sakrament» zurückgehen. Der Verfasser dieses Beitrages meinte jedenfalls, früher auch «Sakra Bitzgi/Bitschgi» gehört zu haben. «Bitzgi» bedeutet auf alle Fälle das Kerngehäuse eines Apfels oder einer Birne.
Quellen:
Grimm, Jacob und Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 13. U. a. München 1999.
Jutz, Leo: Vorarlbergisches Wörterbuch mit Einschluss des Fürstentums Liechtenstein. Wien 1960 bis 1965.
Knaur: Das Deutsche Wörterbuch. München 1985.
Küpper, Heinz: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache. Stuttgart 1982.
liezeit, Oktober 2020
Meier, Markus: Vadoznerisch. Ein Sprachbegleiter mit Dialekt-Wörterbuch. Vaduz 2023.
www.idiotikon.ch