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60Plus | Fokus | Juni, 2024
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Statt Kaffeekränzchen ins Casino

von Gabi Eberle

Die einen hoffen auf den grossen Gewinn, andere wollen sich nur die Zeit vertreiben: Casinos gibt es bereits seit Jahrhunderten. Als deren Mekka bekannt sind Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada oder Atlantic City in New Jersey, wo manche einem Altersheim gleichen. Wie es an Liechtensteins Roulettischen und einarmigen Banditen mit den älteren Semestern ausschaut, haben wir die Verantwortlichen zweier hiesiger Casinos gefragt.

Unter Glücksspiel wird im Allgemeinen verstanden, dass die Spieler Geld einsetzen und ein Gewinn vor allem vom Zufall abhängt. Unter den Begriff fallen auch harmlose Bingo-Treffen oder die Lotto-Teilnahme. Für manche sind Glücksspiele eine willkommene Abwechslung vom Alltag. Allerdings bemerken viele Beschäftigte in den US-Spielemetropolen, dass bei älteren Kundinnen und Kunden aus dem sporadischen Spielen oft regelmässige Besuche werden – das Casino mutiere sozusagen zum «zweiten Zuhause». Sie riskierten wenig, plauderten nebenbei und knüpften gerne Bekanntschaften.

Ältestes Casino in Venedig

Der Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig wurde im Jahr 1509, nach 28 Jahren Bauzeit, fertiggestellt, diente seither verschiedenen Adligen und Prominenten als luxuriöse Behausung, wechselte mehrfach den Besitzer. Dort soll 1638 das älteste Casino nicht nur Europas, sondern der Welt eröffnet worden sein, das Casinò di Venezia. Der Zugang war damals nur dem Adel erlaubt. Im venezianischen Palast, obwohl bald 400 Jahre alt, kann noch heute gespielt werden; die historischen Spielsalons sind technisch auf dem neuesten Stand.

Liechtensteins Casinowelt . . .

Johann II. war von 1858 bis zu seinem Tod im Jahre 1929 Fürst von Liechtenstein. Damals sprachen sich grosse Teile des Volkes und der Landtag für die Zulassung von Casinos aus, während Fürst Johann II. (der Gute) seine Zustimmung verweigerte. Im «Vaterland» vom 16.5.2023 schreibt Henning von Vogelsang in der Rubrik «Blick zurück»: «Während heute die Casinos umstritten sind, sah es vor 150 Jahren damit noch ganz anders aus. Der Landtag hätte gerne eines gehabt, denn der Staat brauchte Geld.» Die Politik tat sich lange Zeit schwer mit der Idee eines Casinos in Liechtenstein. Der frühere Regierungschef Mario Frick sagte Anfang 1999 gegenüber «Radio L»: «Ein Spielcasino könnte einen Eldorado-Touch nach Liechtenstein bringen, und das brauchen wir nicht.»

Im Januar 2023 befand das Liechtensteiner Stimmvolk über die Volksinitiative «Casino-Verbot» der IG Volksmeinung. Die Senioren sympathisierten mit der Initiative zwar noch am stärksten, aber auch sie lehnten die Vorlage mehrheitlich ab (55%).

Mitte 2010 war der Bann dann aber gebrochen. Der Landtag stimmte einem neuen Geldspielgesetz zu und hob gleichzeitig das seit 1949 bestehende Glücksspielverbot auf. 2017 eröffnete das Casino Admiral in Ruggell. Liechtensteins Casino-Landschaft ist seither zunehmend gewachsen, die Spielstätten jedoch nach wie vor umstritten. Im Januar 2023 befand das Liechtensteiner Stimmvolk über die Volksinitiative «Casino-Verbot» der IG Volksmeinung. Die Senioren sympathisierten mit der Initiative zwar noch am stärksten, aber auch sie lehnten die Vorlage mehrheitlich ab (55%). Die Initiative ging gesamthaft mit 73,3 Prozent Nein-Stimmen bachab. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte der finanzielle Aspekt sein: Im Berichtsjahr 2022 erzielten die Spielbanken einen BSE von CHF 131.3 Mio. Durch die vom Amt für Volkswirtschaft erhobene Geldspielabgabe flossen dabei CHF 49.6 Mio. in Liechtensteins Staatskasse.*

Martin Frommelt, Communications Manager Casino Schaanwald:

«2023 waren im Casino Schaanwald 22,3 % aller Gäste 60plus und 8.4 % 70plus. Man kann davon ausgehen, dass sich das über all die Jahre ähnlich verhält. Diese Personengruppe kommt vor allem nachmittags. Für die älteren Gäste stellt der Casinobesuch eine willkommene Abwechslung zum vielfach immer einsamer werdenden Alltag dar. Nicht wenige schätzen deshalb auch den damit verbundenen sozialen Kontakt, den sie alleine zu Hause vermissen. Senioren-Budgets sind oftmals knapp bemessen, weshalb diese Senioren auch schätzen, dass sie ohne Eintrittskosten gratis Softdrinks und Kaffee bekommen und so eine spannende und kurzweilige Zeit im Casino geniessen können. Senioren präferieren vor allem den Aufenthalt an Spielautomaten, weil sie sich hier bereits mit sehr geringen Spieleinsätzen ab 10 Rappen lange verweilen können und erst noch Aussicht auf einen Gewinn haben.»

Thomas Banzer, CEO Castle Casino Vaduz:

«Der Anteil an Personen 65plus liegt bei rund 9 %. 60plus sind es mit rund 15 % etwas mehr. Zu welcher Zeit die älteren Semester zu uns kommen, ist höchst unterschiedlich und sehr individuell. Es besteht aber sicher eine Tendenz, dass Seniorinnen und Senioren eher während des Tages bis hin zum frühen Abend das Casino besuchen. Gerade in den Nachmittagsstunden sind Kaffee oder Softdrinks, welche kostenlos angeboten werden, sehr gefragt. Das heisst, dass die Besuche durchaus mit der Konsumation eben dieser Getränke sowie mit Gesprächen mit unseren Mitarbeitern verbunden sind. Snacks und alkoholische Getränke (kostenpflichtig) hingegen werden eher während der Abend- und Nachtstunden konsumiert. Die Präferenz der älteren Besucherinnen und Besuchern liegt bei den Slotspielen, wobei dies auch mit den Öffnungszeiten des Tischspielbereichs (täglich ab 18 Uhr) zusammenhängt.»

Falls das Amüsement aus dem Ruder laufen sollte:
Information/Hilfe zum Thema Glücksspielsucht:
www.sos-spielsucht.ch

Zum Schmunzeln …

Im Jahr 2017 musste ein Kölner Seniorenheim vorübergehend seine beliebten Bingo-Abende einstellen, da der Verdacht auf illegales Glücksspiel bestand. Da der Spieleinsatz aber zwischen 50 Cent und einer Schachtel Pralinen lag, durfte das Seniorenheim, nach Genehmigung der Stadt, seine Abende weiter fortführen.