von Gabi Eberle
Procol Harum, Nazareth, Status Quo, Cat Stevens, Leonhard Cohen, Udo Jürgens und viele weitere Rock-Pop-Legenden und Weltstars brachte Antoine Lemaire, vielen bekannt als früherer Fernsehmoderator und Sportkommentator beim Schweizer Radio und Fernsehen DRS, in den 70er-Jahren gemeinsam mit Thomy Elber, seinem Freund aus Kindertagen, unter dem Label «Eagle Productions» nach Liechtenstein und ins Rheintal. 1954 geboren, wuchs er mitten hinein in die Zeit von Sex, Drugs and Rock’n’Roll und der wilden 68er-Jahre. Während rund eines Jahres hat er seine Erlebnisse und Erinnerungen von damals aufgezeichnet. Aus dieser emotionalen Reise in die Vergangenheit ist ein Buch mit dem Titel «Rock ’n’ Roll im Fürstentum» entstanden. Mitte Oktober wird es offiziell in den Handel kommen.
Auch ohne Blick in die Glaskugel wage ich vorauszusagen, dass das Buch mit grandiosen Bildern, das du deiner Familie, deinen Freunden und «allen jungen und alten Rockern dieser Welt» gewidmet hast, nicht nur die «alte Garde» von damals begeistern wird. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Antoine Lemaire: Begonnen hat es damit, dass meine Enkel (Anm.: Antoine hat zwei Töchter und fünf Enkelkinder, lebt mit seiner Frau in Eschen) sich im Teenageralter brennend für meine Bilderwand mit unzähligen Fotos, Widmungen etc. aus meiner Zeit als junger Konzertorganisator interessierten. Ich begann zu erzählen … und sie waren beeindruckt und begeistert, wollten alles wissen. So entstand die Idee, die Geschichten von damals für meine Familie zu dokumentieren. Ich begann zu schreiben und in alten Fotokisten zu kramen. Nach und nach war alles wieder so präsent, als wäre es gestern gewesen. Das grobe Manuskript überliess ich einem lieben Kollegen aus Vaduz, der es an die Lektorin und Publizistin Esther Hürlimann aus Zürich weitergab. Sie ermunterte mich zum «Feinschliff», gab mir Tipps, wie ich das Ganze strukturieren könnte und fand, die «unglaubliche» Story müsse an die Öffentlichkeit. Auf ihre Empfehlung hin liess ich das Manuskript dem Van Eck Verlag in Triesen zukommen. Nur wenige Tage später bot mir Frank van Eck tatsächlich an, ein Buch über uns herauszubringen. So kam, ungeplant, eines zum anderen.
Erst während der Feinarbeit bzw. des weiteren Recherchierens wurde mir bewusst, dass das Buch Aufsehen erregen könnte. Einen Dämpfer verpasste mir der Gang zur Gemeinde Vaduz, wo sich herausstellte, dass aus den Jahren 1974 bis 78 kein Material mehr hinsichtlich stattgefundener Konzerte vorhanden war – der Listenplan vom Vaduzer Saal aus dieser Zeit existierte nicht mehr. Zu meinem Glück wurde ich in den Archiven von «Vaterland» und «Volksblatt» fündig: Über hundert Artikel zeugten von der damaligen Rock- und Pop-Ära Liechtensteins.
Über die Social-media-Plattform LinkedIn erfährt man unter anderem über dich: Seit 2015 CEO bei face2face GmbH, Präsident Golfclub Gams-Werdenberg 2014–Mai 2019, Fernsehmoderator und Sportkommentator Schweizer Radio und Fernsehen DRS 1985-1997, Familie, Kinder. Ein steiles Programm …
Nach aussen hin ruhig, bin ich zweifelsohne ein aktiver, vielfältiger, kommunikativer Mensch und definitiv nicht der Typ, der stundenlang am Strand liegen kann (lacht). So hat mich auch meine Frau kennengelernt. Ich war 21, als wir heirateten – unsere Tochter Fabienne war unterwegs. Mit ein Grund, dass wir nach so vielen Jahren nach wie vor zusammen sind, ist sicher, dass wir uns gegenseitig immer vertraut haben und, im übertragenen Sinn, einander nie «auf den Füssen herumgetrampelt» sind. Während rund 35 Jahren arbeitete ich hauptberuflich bei der Möbelfirma IMS in Bendern, war unzählige Male an Messen, in den 90er-/2000er-Jahren immer wieder wochenlang in China und Indonesien. Das Engagement als Radio- und Fernsehkommentator übte ich freiberuflich aus. 2004 kam der Schritt in die Selbstständigkeit, 2014 dann mit face2face erneut im Möbelgeschäft. Seit rund fünf Jahren pensioniert, bin ich nach wie vor, allerdings mit reduziertem Pensum, im Business, reise zu Kunden und Lieferanten, lerne immer wieder neue Menschen kennen. Für mich sind es, neben der Zeit in den 70ern, die schönsten, entspanntesten Jahre meines Lebens.
Wie bzw. wo hast du deine Kinder- und Jugendjahre erlebt und verbracht?
Obwohl durch und durch Liechtensteiner, mit Sternzeichen Jungfrau zuverlässig und genau, sind meine Wurzeln, geboren in der Bretagne, französisch – das «laissez faire» und «savoire vivre», das Leben leicht zu nehmen liegt mir. 1958 zogen meine Eltern mit mir, damals 3-jährig, und meinen Brüdern Philippe (1949) und Jean (1947) nach Liechtenstein. Mein Grossvater betrieb in Frankreich eine Zahnfabrik, war mit Dr. Schneider von der Ivoclar gut bekannt, und so kam mein Vater, der ebenfalls in diesem Business tätig war, nach dem Tod meines Grossvaters nach Liechtenstein.
So half mein technisch begabter Vater beim Aufbau der Firma mit. Zu Anfang war es für sie ohne Deutschkenntnisse hier nicht leicht, doch mit der Zeit fügte sich alles – für mich als kleiner Stöpsel sowieso. Meine Leistungen in der Schule waren recht passabel, ein Streber war ich aber definitiv nicht. Meine Brüder besuchten das Bundesgymnasium in Feldkirch, und so schickte man mich später ebenfalls dorthin. Für mich passte es, allerdings stand ich mit Mathe und Latein auf Kriegsfuss, hatte nur Fussball, Mädchen und allerlei Flausen im Kopf (lacht). Damals kamen die Jugenddiscos auf – es war eine super Zeit!
Wann und in welcher Form zeigte sich erstmals dein organisatorisches Talent, das später darin mündetet, als «Konzertpionier» die bekanntesten Rock- und Pop-Grössen nach Liechtenstein zu bringen?
Bereits während der Schulzeit und bei den Pfadis habe ich mich gerne eingebracht. Anfang der 70er-Jahre gab es in Schaan eine populäre, von den Pfadfindern organisierte Tanzveranstaltung, den «Non-Stop-Tanz» in der alten Schaaner Turnhalle – dort, wo heute der SAL steht. Ab 20 Uhr bis Mitternacht spielten jeweils zwei Bands durchgehend. Als mein Bruder Philipp, Mitorganisator des Anlasses, zur Weiterbildung in die Schweiz ging, übernahm ich seinen Platz. Mein erster, noch handgeschriebener Vertrag (im Buch abgebildet) kam am 18.1.1971 mit den Hasler-Brüdern der Schaaner Band «Blow Job», zustande. Kürzlich gestand mir Werner Hasler, heute mein Nachbar in Eschen, lachend, dass er damals nicht mal wusste, was der «spektakuläre» Name bedeutete! Ende 1972 dann besuchten wir, eine Gruppe Schaaner, darunter Thomy Elber und ich, oft Rockkonzerte in Zürich und Umgebung. Weil uns die Hin-und-her-Fahrerei zu dumm wurde, beschlossen wir, so dahingesagt, die Bands nach Liechtenstein zu holen. Rund eineinhalb Jahre später sassen wir im Büro von Hilmar Ospelt, damaliger Bürgermeister von Vaduz, mit dem Ansuchen, im Vaduzer Saal Popkonzerte durchführen zu dürfen. Innerhalb kurzer Zeit erhielten wir das O. K.
Im Laufe von vier Jahren habt ihr als Jungspunde rund 35 Konzerte auf die Beine gestellt, was nicht nur logistisch, sondern auch finanziell erst mal gewuppt werden muss. Hattet ihr Sponsoren? Und wer war eure allererste Band?
Unser erstes Konzert organisierten wir 1974 unter dem Label «Eagle Productions» mit der deutschen Gruppe Jane, dann folgten Mott the Hoople und die weltberühmten Procol Harum – eine Sensation! Die Gagen der Bands, welche wir einzig durch den Ticketverkauf bezahlten, lagen damals zwischen 7000 und 10 000 Franken. Ein Ticket kostete zwischen 18 und 25 Franken. Uns blieben je nachdem zwischen 2000 und 3000 Franken. Sponsoren gab es keine, jedoch hatten wir ehrlicherweise etwas «Rückendeckung» von Thomys Mutter, falls etwas schiefgehen sollte. Unser Motto war «einfach machen» – rückblickend ziemlich frech (lacht). Später, als eine der grössten deutschen Agenturen auf uns aufmerksam geworden war, folgten richtig «dicke Fische» wie Leonhard Cohen oder Cat Stevens, der damals für rund 45 000 DM zu haben war. Wir verkauften knapp 5000 Tickets und mussten aus Platzkapazitätsgründen in die Lustenauer Eishalle ausweichen.
Und dann war da noch Udo Jürgens und die After-Show-Party beim Baron …
Das war wirklich eine Riesengeschichte. Mit «Edi» Eduard Baron Falz Fein (1912–2018) war ich recht gut bekannt. Er hat sich mit mir gerne auf Französisch unterhalten und rief mich sofort an, als er hörte, dass wir Udo Jürgens nach Vaduz bringen wollten. Weil Edis und Udos Väter befreundet gewesen waren, wollte er eine After-Show-Party in seiner Villa veranstalten. So gab ich seinen Wunsch an Udos Management weiter und nur wenige Tage später klingelte bei mir zu Hause das Telefon. Die Stimme am anderen Ende sagte «Hallo, hier ist Udo Jürgens». Mir fiel beinahe der Hörer aus der Hand. Erst vermutete ich, dass sich jemand einen Scherz mit mir erlaubte, doch seine Stimme war unverkennbar. Er sagte mit Freuden zu! Sein Management bestätigte anschliessend offizielle den Auftritt in Liechtenstein – Udo reiste mit einem 20-Mann-Orchester an – und auch seine Teilnahme an der anschliessenden Party. Diese Nacht war legendär, das Fest mehr als rauschend! (lacht)
Das hört sich spektakulär an. Waren Alkohol und Drogen damals schon ein Thema?
Ja klar. Anfang der 70er war die Zeit, wo sich vieles im «Pöstle» in Schaan abspielte. Natürlich war ich mittendrin, legte dort sogar als DJ auf. Getrunken hat man zu dieser Zeit neben Bier vor allem auch Whiskey, Baccardi Cola oder Wodka Orange. In dieser Zeit gab es zum Beispiel auch den Irish Coffee, der ja komplett verschwunden ist. In die Zeit von Sex, Drugs an Rock’n’Roll hineingeboren, fühlten wir uns frei, alles wurde ausprobiert. Zum Glück waren Drogen für mich nie ein Thema. Nach meiner ersten und einzigen «Haschguga» wurde mir kotzübel, und das war’s dann (lacht).
Ich kann mir vorstellen, dass der Schreibprozesses eine Zeitreise in die Vergangenheit, verbunden mit vielen Emotionen war.
Ja, mit Sicherheit. Ich hatte alles wieder vor Augen, als wenn es gestern gewesen wäre. Mir wurde, im positiven Sinn, bewusst, wie verrückt wir damals in unserem «jugendlichen Leichtsinn» waren, mit 20 Jahren Weltstars nach Vaduz zu holen. Rückblickend betrachtet habe ich auch einige Chancen verpasst, die sich mir boten, doch für meine damaligen Verhältnisse das Maximum aus allem herausgeholt. Aus heutiger Sicht möchte ich keinen Tag der vier bewegten Jahre missen.
Mitte September legt ihr mit der Promotion zu «Rock ’n’ Roll im Fürstentum» los, am 18. Oktober wird das Buch herauskommen. Sind auch Lesungen geplant?
Die Planung der Buchpräsentation, die in den Little Big Beat Studios in Eschen stattfinden wird, läuft. Das zwischenzeitlich top renommierte Aufnahmestudio ist der ideale Ort dafür. Allerdings kann ich diese erste Präsentation nicht öffentlich machen, weil der Platz dort beschränkt ist. Lesungen werden, wie es derzeit ausschaut, aber einige folgen – die Gemeinde Vaduz und verschiedene Buchhandlungen haben bereits angefragt. Langsam werde ich etwas nervös … (lacht)
Und plötzlich stehst anstelle der Rock- und Popstars du im Rampenlicht …
(Antoine winkt ab) Einerseits möchte ich das Buch natürlich verkaufen, andererseits packt mich, wie schon gesagt, hinsichtlich des ganzen Drumherums leichtes Muffensausen. Aber ich freue ich mich darauf und bin ich gespannt, wie das Buch ankommen wird. Das letzte der 12 Zitate von Popkünstlern, die darin enthalten sind, stammt von mir selbst und bringt die ganze Geschichte auf einen Nenner: «Es war eine unheimlich geile Zeit!»
«Rock ’n’ Roll im Fürstentum»
Buchpräsentation: Mitte Oktober 2024
Autor: Antoine Lemaire
Erschienen im Van Eck Verlag, Triesen.
Design: Joel und Philipp Zünd
ISBN 978-3-123345-93-1
Ab Oktober in allen Buchhandlungen des deutschsprachigen Raums.
Mehr Infos/Verkauf: coverstories.li/rocknroll