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60Plus | Porträt | September, 2024
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Landwirt aus Leidenschaft

von Gabi Eberle

Das Berufsbild hat sich gewandelt, eines aber ist geblieben: Bauer sein bedeutete früher wie heute harte Arbeit und wenig Freizeit. Georg Oehri weiss das aus eigener Erfahrung. Trotzdem hätte er sich nie eine andere Tätigkeit vorstellen können. Von Kindsbeinen an stand er im Stall seines Vaters, im Alter von 32 Jahren übernahm er den Familienbetrieb. Ab Januar 2025 wird sein Sohn Mathias als Agrotechniker offiziell die Geschicke des Hofes in 4. Generation leiten. An diesem frühen, sehr warmen Nachmittag im August ist es ruhig im Gampriner Badäl 94, ein idyllischer Flecken im Liechtensteiner Unterland. Das Vieh hält Siesta.

Es ist ein Platz mit Geschichte, wo einst Georgs Grossvater ein kleines Wohnhaus erbaute. Durch seinen Vater entstand dort später ein grösseres, 1978 folgte der Umbau des Kuhstalls, 1985 ein Jungviehstall. «Es war für uns sechs Geschwister sozusagen ein Zuhause mit Auslauf», lacht der 64-Jährige. «Meine Kinder- und Jugendzeit erlebte ich unbeschwert und frei. ‹Buurnat› habe ich schon als Bub gerne, das Anpacken auf dem Hof war selbstverständlich. Meine Teenagerzeit sah zwar abends und an den Wochenenden anders aus als die meiner Kollegen – sie waren mit mit den Mopeds unterwegs, gingen baden, ich war beim Heuen oder im Stall –, doch für mich hat es gepasst und ein gemeinsames Bier ging sich allemal aus!»

Harte Arbeit und Durchhaltevermögen

Die Übernahme des Hofes durch Georg ging 1992 vonstatten, einige Jahre später folgte der Hausum- und Zubau von Stallungen, Gemüse-/Maschinenhallen und Kühlhäusern im Riet. Während unseres Küchentischgesprächs gibt er mir einen Einblick in den Alltag eines Bauern. Meine romantischen Vorstellungen zerschlagen sich rasch: Täglich um 5.30 Uhr Tagwacht im Stall, tagsüber bis abends, je nach Arbeitsanfall in die Nacht hinein, auf den Beinen. Um einen landwirtschaftlichen Grossbetrieb aufzubauen und zu bewirtschaften, braucht es neben den beruflichen Qualifikationen – Georg bildete sich nach der Berufs- und Landwirtschaftsschule zum Betriebsleiter weiter – unter anderem eine gute körperliche Konstitution, Durchhaltevermögen «und eine geduldige, zuverlässige Frau, die sich um die Kinder und den Haushalt kümmert und nachsichtig mit einem ist», lacht der Gampriner.

Milchwirtschaft, Aufzucht, Acker- und Gemüsebau

In den Anfangsjahren bewerkstelligten Vater und Sohn die gesamte anfallende Arbeit eigenständig. Später kam ein Saisonnier hinzu, heute sind es drei Praktikanten, die mithelfen, rund 150 Tiere zu versorgen – mehrheitlich Mastremonten, d. h. Milchkühe, die während zweier Jahre zu Schlachtrindern aufgezogen werden. Aus Rentabilitätsgründen hat sich der Fokus von der Milch- zur Fleischproduktion verlagert. Ein weiterer Betriebszweig des Badäl-Hofs ist der Anbau und Vertrieb von Mais, Getreide, Kartoffeln und 13 Gemüsekulturen – Spinat, Karotten, Salat, Bohnen, Weiss- und Blaukabis, Wirz und Rhabarber, den Georg als Einziger im Land grossflächig anbaut, und neu auch Spargel. «Die Frischkonsum-Ware geht grösstenteils zu Aldi, für Verarbeitungsprodukte ist der Endabnehmer die Hilcona.» Über den Direktverkauf an Stammkunden setzt Georg jährlich rund 15 Tonnen Kartoffeln, 6 Tonnen Kabis, 4 Tonnen Zwiebeln sowie eine grosse Vielfalt an Speise- und Zierkürbissen um. Sein Sohn plant, in der Zukunft einen professionellen Hofladen mit Online-Verkauf aufzubauen.

Heute müssen Landwirte in allen Gebieten, ob natürliche Zusammenhänge, moderne Technik oder Vermarktung Profis sein, zudem immer mehr leisten, um das Einkommen stabil zu halten. Man muss flexibel sein und seinen Betrieb modern und innovativ halten, vom Prinzip her wie ein Manager handeln. «Im Vergleich zu früher stehen wir unter hohem terminlichem Druck, es bestehen zunehmend mehr Vorgaben und Regulierungen. Die Produktkontrollen waren noch nie so streng, die Toleranzgrenzen sind niedriger und es gilt, konstant auf der Hut zu sein, keine Fehler zu machen. Jedes kleinste Detail muss digital erfasst werden. Der Beruf Bauer ist heute ein 150-Prozent-Job.»

Aktiver Gemeindebürger

Neben seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit hat Georg es geschafft, in jedem Gampriner Verein ein Mal aktives Mitglied zu sein. In den Jugendjahren war es der Skiclub – im LSV-Kader fuhr er wöchentlich Rennen in der Schweiz – 10 Jahre bei den Pfadfindern, beim Musikverein Konkordia Gamprin das Trompete spielen erlernt, einige Jahre Funkenmeister der Funkenzunft, 12 Jahre bei der Feuerwehr, seit 45 Jahren beim Gesangsverein. «Meistens sass ich um 19.30 Uhr noch auf dem Traktor, die Probe begann um 20 Uhr. Abendessen gab’s erst danach im ‹Löwen› …», lacht er. Das tut er während des Gesprächs gern und oft. «Auch war ich Mitglied der Gampriner Landwirtschaftskommission, die zwischenzeitlich aufgelöst wurde, viele Jahre Schriftführer beim Liechtensteiner Gemüseverband und als Vertreter Liechtensteins während 13 Jahren im Vorstand der Rheintaler Gemüsevereinigung, wo nun Mathias an meiner statt nachgerückt ist. Dem Braunviehzuchtverband gehöre ich nach wie vor an.»

Damit nicht genug: Seit rund 15 Jahren ist er Alpmeister der Alpe Rauz in der Arlbergregion, seit 110 Jahren im Besitz der Gemeinde Gamprin. «Im Prinzip ist man Gemeindeangestellter, für alles verantwortlich – unter anderem, dass immer genügend Vieh oben ist, die Anstellung des Hirten, Büroarbeiten, Themen wie Umzäunungen, Wild, Skilift, Tourismus etc. aufgreifen, diesbezügliche Probleme angehen und entsprechende Lösungen finden.» Dass aufgrund einer Verbringungssperre seit 10 Jahren Vieh aus Vorarlberg, aktuell aus dem Zillertal, dort sömmert, ist der Hirsch-TBC (Tuberkulose) geschuldet. Das Einschleppen der Krankheit soll verhindert werden. «Es ist zu hoffen, dass die seuchenpolizeilichen Auflagen bald aufgehoben werden können und die Alpe wieder mit Gampriner Vieh bestossen werden kann.»

Zukunftspläne

Des Öfteren hat sich Georg schon gefragt, wie er das alles schaffen konnte. «Ich hatte Erfolg, habe gutes Geld verdient, dafür aber Tag und Nacht gearbeitet. Die Erziehung und Betreuung unsere Kinder, der Haushalt lag in den Händen meiner Frau Cornelia. In unserer Generation war das so üblich und wurde nicht gross hinterfragt.»

Urlaub war mit einer jungen Familie, ohne Mitarbeiter auf dem Hof, ein Fremdwort. Vor ihrer Heirat flog das Paar nach Ibiza – bis zum Aegypten-Urlaub vor vier Jahren die erste und einzige gemeinsame Reise. «Vor einem sonntäglichen Tagesausflug stand ich frühmorgens im Stall und musste zudem regeln, dass am Abend gemolken und gefüttert wurde. Für mich zählten die Besuche von Viehschauen als ‹freie Tage›, waren sozusagen Urlaubstage.» Im November 2023 nahmen sie die Chance war, ihren Sohn Stefan und seine Familie in Hongkong zu besuchen, verbrachten anschliessend noch gemeinsam eine Woche in Thailand und nahmen viele eindrückliche Erlebnisse mit nach Hause.

Demnächst steht der Umzug ins neu erbaute Zweifamilienhaus gegenüber an, wo bereits Tochter Veronika mit ihrer Familie wohnt. «Ab kommendem Januar ziehe ich mich aus dem operativen Geschäft zurück, gebe die Verantwortung ab, werde aber weiterhin auf dem Hof mitarbeiten und Mathias mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die händische Arbeit macht mir ja nach wie vor Freude. Die Vorstellung, ohne Druck, mit ‹weniger Puls› tätig zu sein, gefällt mir», sagt Georg mit seinem typischen «Oehri-Lacher». Hie und da wird er sich einen Tag Auszeit einräumen oder mit seiner Frau mal eine Woche am Meer verbringen. Es wäre nicht der erste Plan, den Georg erfolgreich umsetzt …