Von Dr. sc. nat. Gert Risch, Vaduz
Dr. Gert Risch: «Zum 125-Jahre-Jubiläum des Landespitals vom letzten Jahr wurde ich gebeten, einen Beitrag zu schreiben. Der Beitrag «Leidensweg der stationären Gesundheitsversorgung» vom 5. Mai 2017 ist nie veröffentlicht worden. Nachdem die Spital-Strategie unseres Landes in der Politik wie in der Bevölkerung immer wieder diskutiert wird, dürfte ein Rückblick möglicherweise dazu beitragen, die Zukunft unserer Spitalversorgung positiver zu gestalten als es bisher der Fall war. Das vermutlich unrühmliche Ende der Privat-Klinik Medicnova in Bendern – zu verantworten durch die tarifliche Ungleichbehandlung der Politik – wird in den kommenden Monaten zu einem heiss diskutierten Thema werden. Der Leistungsexport wird rasch und deutlich die CHF 100 Mio./Jahr überschreiten.»
Der Ausbau von stationären Einrichtungen in Liechtenstein ist seit 125 Jahren gekennzeichnet von Versäumnissen und verpassten Chancen. Bis zum heutigen Tag kann kein politischer Wille ausgemacht werden, dass von der öffentlichen Hand moderne stationäre Einrichtungen der Gesundheitsversorgung einerseits als primäre Wohlfahrtseinrichtung für die Bevölkerung und andererseits als Wirtschaftsfaktor verstanden werden.
Auf Dux wurde mit dem Aus- hub begonnen. Dieses Projekt fiel der totalen Geldentwertung von 1919 zum Opfer.
Zur Eröffnung des Krankenhaus-Neubaus am 17. Oktober 1981 ist eine Broschüre der Gemeinde Vaduz herausgegeben worden. Darin hat fürstl. Sanitätsrat Dr. med. Rudolf Rheinberger unter dem Titel «Krankenhauspläne – ein historischer Rückblick» in einem spannenden Beitrag die vielen Anläufe zu einem «Armen- bzw. Krankenhaus» zusammengefasst. Stark verkürzt sind hier nur die wesentlichsten Projekte und deren Schicksal zusammengefasst.
Die erste Initiative für einen Krankenhausbau ergriff 1860 der damalige Landtagspräsident Dr. Karl Schaedler. Die Zusage 1884 des Fürsten Johannes, für ein Krankenhaus mit 30 Betten in Schaan mit eigenen Mitteln aufzukommen, wurde zerredet. Rund 30 Jahre später griff der Landtag das Thema «stationäre Krankenversorgung» wieder auf. An Weihnachten 1918 gab Fürst Johannes ein Handschreiben heraus, ein «Landschäftliches Krankenhaus» zu errichten und spendete zusätzlich 50 000 Kronen, um aus den Zinsen die Betriebskosten zu decken. Auf Dux wurde mit dem Aushub begonnen. Dieses Projekt fiel der totalen Geldentwertung von 1919 zum Opfer. Ab den frühen Zwanzigerjahren wandelte sich das Vaduzer Bürgerheim unter Führung der «Zamser» Schwestern vom Armen- zu einem Krankenhaus. Landesphysikus Dr.med. Felix Batliner konnte 1931 das Vaduzer Bürgerheim durch den Anbau Nord erweitern, für dessen Kosten Baron Waldhausen aufgekommen war. In dieser stationären Akutabteilung waren ein Operationssaal und eine Gebärabteilung untergebracht. Fürstin Elsa stiftete das Kapital für eine Liegehalle und errichtete einen Fonds von CHF 40 000.–, dessen Zinsen bestimmt waren zur Abdeckung von Pflege- und Behandlungskosten. Bis Ende 2016 ist diese Spende auf CHF 142 496.— angewachsen.
Die ärztliche Versorgung wurde sichergestellt von den Ärzten Dr. Otto Schaedler, Dr. Martin Risch, PD Dr. Max Ospelt, Dr. Rudolf Rheinberger und Dr. Otto Hasler. Im Bedarfsfall erhielten sie Unterstützung von Chefärzten des Krankenhauses Feldkirch. Der 3. Stock entwickelte sich zu einer Geriatrie- und Pflegabteilung. Möglich war diese Betriebserweiterung durch den Anbau Nord.
Der Anbau Süd 1971 brachte nach 40 Jahren Notlösung eine räumliche Entlastung. Von der Spitalbaukommission wurde festgehalten, «dass man dabei nicht stehen bleiben könne». 1973 wurde von der Regierung dem Landtag ein weiteres Vorprojekt vorgelegt, nachdem in Schaan ein grosses Grundstück erworben worden war. Auch dieses Projekt wurde wie frühere Projekte nicht umgesetzt, da «die zu erwartenden Bau- und Betriebskosten neue Überlegungen notwendig machten».
Die neue Spital-Betriebskommission, der ich im Auftrag des Vaduzer Gemeinderates vorstand, musste 1975 zur Kenntnis nehmen, dass das Gebäude, das in wesentlichen Teilen das respektable Alter von 83 Jahren erreicht hatte, aus Brandschutzgründen und gemässVorschriften der Starkstrom-Verordnung ultimativ zu sanieren sei. Die Gemeinde Vaduz war in Zugzwang geraten. Der Spitalbaufonds der Gemeinde Vaduz von 1949 war durch das Ehepaar Philipp und Julie Bauer 1963 um 5 Millionen aufgestockt worden. Jede Initiative der Gemeinde Vaduz und des Ärztevereins versandete jedoch in dem Interessensdreieck der beiden Gemeinden Schaan und Vaduz und dem Land andrerseits. Als Vorsitzender der Spitalbaukommission musste ich im Namen der Gemeinde Vaduz beim Land Druck machen. Die Verhandlungen endeten mit der Feststellung der Regierung, dass «die Gemeinde Vaduz sich in die bedenkliche Lage versetzt sieht, entweder selbständig zu handeln oder den Krankenhausbetrieb zu schliessen».
Nach Abstimmungen in Vaduz (95,7 % Ja) und anschliessend auf Landesebene in einer Referendumsfrage (54,4 % Ja., 1977) konnten die Planungsarbeiten fortgesetzt werden. Für die politische Vorarbeit waren drei Jahre vergangen. Der Krankenhausbetrieb konnte für die Bauzeit ins benachbarte Betagtenwohnheim verlegt werden. Das neue Krankenhaus wurde am 17. Oktober 1981 feierlich eröffnet. Die Bettenbelegung hatte sich bereits im Provisorium stark verbessert (+42 %). Auch der Notfall- und Operationsbetrieb hatten deutlich an Fahrt aufgenommen.
Ein in jeder Hinsicht vertretbares Neubauprojekt ist Ende Oktober 2011 mit 58,1 % einem Referendum zum Opfer gefallen. Damit vergingen einmal mehr über 30 Jahre, bis 2014 eine weitere Ausbaustufe umgesetzt werden konnte. In einem Anbau reorganisierte das Landesspital den OPS- und Notfall-Betrieb. Das Budget betrug CHF 6.5 Millionen und war – man beachte – zur Hälfte selbst finanziert. In der Zwischenzeit hat eine private Investorengruppe eine Privatklinik in Bendern eröffnet. Das Ganze ist insofern völlig unverständlich, als im Land genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Allein der zweckgebundene «Philipp Bauer Fonds» ist mittlerweile auf über 12 Millionen angewachsen.
In der Broschüre zur Eröffnung des Krankenhauses Vaduz publizierte Theo Jäger einen Beitrag, in dem er das «Krankenhaus als ein wirtschaftlicher Faktor» untersuchte. Die Rückflussquote schätzte er auf > 40 % der Kosten, was nichts anderes bedeutet als dass bei Ausgaben im Inland ein Finanzrückfluss in dieser Höhe zugunsten des Landes einkalkuliert werden kann. Betriebe der Gesundheitsversorgung sind darüber hinaus sichere Arbeitgeber und als eine in hohem Masse erwünschte Diversifizierung der Wirtschaft zu verstehen. Der Vorteil einer ortsnahen Versorgungseinheit wird, wie die Erfahrung zeigt, sehr geschätzt. Was die Gründe sind, dass sich Liechtenstein seit über 100 Jahren im Ausbau der stationären Versorgungen so schwer tut, ist eigentlich nicht zu verstehen. Die finanziellen Mittel wären vorhanden, der Auftrag in der Verfassung auch (Art. 18). Die stationäre Altersversorgung ist Sache der Gemeinden.
Kurzporträt Dr. Gert Risch
Dr. Gert Risch schloss erfolgreich seine Studien an der ETH in Zürich ab, promovierte am Universitätsspital Zürich zum Dr. sc. nat. und machte sich 1970 mit der Eröffnung eines medizinischen Labors in Schaan selbständig. Gert Risch hat die operative Führung des inzwischen zur LMZ Dr. Risch-Gruppe gewachsenen Unternehmens an seine beiden Söhne Lorenz und Martin abgegeben. Gert Risch bleibt jedoch weiterhin VR-Präsident. Er macht sich seit eh und je für eine optimale Spital- und Gesundheitsversorgung in Liechtenstein stark. Er war bereits in den 1970er-Jahren als Gemeinderat von Vaduz Vorsitzender der neuen Spital-Betriebskommission und war als Vorsitzender der Spitalbaukommission an vorderster Front am Neubau des Krankenhauses beteiligt, das am 17. Oktober 1981 eingeweiht wurde. In seiner Eröffnungsansprache forderte er, in den fünf Jahren nach der Eröffnung soll an einer Ausbau-Strategie gearbeitet und sollen die Ergebnisse in den weiteren fünf Jahren umgesetzt werden. Der Ausbau des Gemeinde- und später Landesspitals wurde jedoch in jeder Hinsicht vernachlässigt.