Gedanken zum Alter und alt sein von Renate Wohlwend, Schellenberg
Ich wurde eingeladen, über das Alter im Allgemeinen und über Lebensqualität im Alter zu schreiben.
Das schien mir eine ehrenvolle Aufgabe, die für eine AHVlerin wie mich, die noch dazu im Liechtensteiner Seniorenbund engagiert ist, gar nicht allzu schwierig sein sollte. Aber dann stellte sich mir schon die erste Frage, ab welchem Lebensjahr wir im Allgemeinen von Alter im Sinne von «alt sein» sprechen. Ist es das Erreichen des AHV-Alters? Sind wir dann alt? Sind wir dann Seniorinnen und Senioren? Stellen alte Männer und alte Frauen eine «Sondergattung» in unserer Gesellschaft dar?
Aber dann stellte sich mir schon die erste Frage, ab welchem Lebensjahr wir im Allgemeinen von Alter im Sinne von «alt sein» sprechen. Ist es das Erreichen des AHV-Alters?
Ich denke, dass für die meisten Seniorinnen und Senioren der allseits bekannte Spruch «man ist so alt, wie man sich fühlt» zutrifft, denn es kommt nicht auf das Alter an, sondern auf die richtige Einstellung zum Älterwerden sowie auf die körperliche und geistige Kondition.
Ältere Menschen sind keine homogene Gruppe; je nach gesundheitlicher und mentaler Verfassung können ältere Menschen derselben Altersgruppe in einer sehr unterschiedlichen Lebenslage sein.
Menschen zwischen 65 und 70 unterscheiden sich – abgesehen davon, dass sie im Regelfall bereits in Rente sind – rein äusserlich nicht von den übrigen Erwachsenen, aber sie führen einen anderen Alltag, in welchem sie so manchen Vorteil gegenüber den im Berufsleben Stehenden geniessen können.
Seit ich das AHV-Alter erreicht habe, stelle ich bei Rückschau auf mein eigenes Berufsleben und bei Beobachtung der Menschen meines altersdurchmischten Kreises Veränderungen und Unterschiede im Tagesablauf fest, die für mich einen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten.
Was ist Lebensqualität, was braucht es dazu?
Allem voran wünsche ich mir Gesundheit. Dabei ist mir bewusst, dass die Erfüllung dieses Wunsches nicht auf Dauer und immerzu gelingen wird.
Jedoch ist mir wichtig, trotz allfälliger chronischer Erkrankung meine Selbständigkeit und Selbstbestimmung bewahren zu können. Dafür muss ich selbst etwas tun, mich bewegen, für körperliche und geistige Fitness sorgen. Das gelingt am besten, wenn ich mir neue Herausforderungen suche, dabei auch manchmal über den eigenen Schatten springe und etwas ausprobiere, das ich bisher gar nicht oder nur sehr ungern getan habe.
Jedoch ist mir wichtig, trotz allfälliger chronischer Erkrankung meine Selbständigkeit und Selbstbestimmung bewahren zu können. Dafür muss ich selbst etwas tun, mich bewegen, für körperliche und geistige Fitness sorgen.
Allein, ein jeder von uns ist seines Glückes Schmied, sodass man individuell unterschiedlich selbst den besten Weg zum Wohlfühlen findet.
Wenn wir regelmässig Freude in unser Leben bringen, werden wir uns das Glück erhalten und Lebensfreude gewinnen. Beste Beispiele, die jeder von uns praktiziert, aber vielleicht doch zu wenig bewusst geniesst, sind das gesellige Zusammensein mit Freunden, das Lesen eines spannenden Buches, ein spontaner Kinobesuch und vieles mehr!
Ein Privileg der nicht mehr berufstätigen Seniorinnen und Senioren ist es, nicht mehr termingebunden zu sein und demnach einen Tag oder vorausschauend eine ganze Woche nach Vorlieben und eigenem Gutdünken planen zu dürfen.
Was eine Seniorin oder ein Senior aus ihrem Alltag im wohlverdienten Ruhestand machen, bleibt ihnen überlassen. Unsere Ansprüche und Bedürfnisse sind individuell unterschiedlich. Dennoch wird die Mehrzahl der älteren Menschen es geniessen können, ohne Wecker wach zu werden, ohne Hetze in den Tag zu starten und je nach Wetter und eigenen Wunschzielen an einem Werktag den Rucksack zu packen, sich aufs Velo zu schwingen, zum Schwimmen oder Laufen zu gehen oder ganz einfach zu faulenzen.
Was eine Seniorin oder ein Senior aus ihrem Alltag im wohlverdienten Ruhestand machen, bleibt ihnen überlassen. Unsere Ansprüche und Bedürfnisse sind individuell unterschiedlich.
Sich unter der Woche mit Freunden und Kollegen zu verabreden oder sich gegenseitig einzuladen, bis in die späten Abendstunden gemütlich zusammen zu sein, interessante Diskussionen zu führen … das ist ein Hochgenuss, den man als Werktätiger zumeist nur am Wochenende erlebt.
Ohne grosses Gedränge Ausstellungen zu besuchen und im Umkreis gelegene Museen zu erkunden, kann eine ebenso bereichernde Erfahrung sein wie einen Tagesausflug zu unternehmen oder sich spontan für eine kleine Reise zu entscheiden.
Freiwilligenarbeit, soziales Engagement
Bei all dieser frei einteilbaren Zeit sollen wir aber nicht vergessen, dass es viele in unserer Altersgruppe gibt, oder auch Ältere, die nicht mehr so mobil sind, die sich vielleicht einsam fühlen, die krank und unterstützungsbedürftig daheim sitzen. Da sind Engagement gefragt, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit. Überhaupt tut es uns gut, gebraucht zu werden – und das nicht nur zur Pflege unserer Familienangehörigen und zum Enkelhütedienst, sondern auch in der Freiwilligenarbeit. Ich finde es sehr wichtig, sich freiwillig zu engagieren. Das ist vorwiegend altroistisch zum Nutzen der Gemeinschaft, aber auch persönlich befriedigend und selbstwertsteigernd. Nach der Pensionierung sind wir nicht mehr gefordert, wir erbringen keine beruflichen Leistungen mehr, aus denen wir den Grossteil unseres Selbstwertgefühls bezogen haben.
Überhaupt tut es uns gut, gebraucht zu werden – und das nicht nur zur Pflege unserer Familienangehörigen und zum Enkelhütedienst, sondern auch in der Freiwilligenarbeit. Ich finde es sehr wichtig, sich freiwillig zu engagieren.
Neben einem freiwilligen Engagement, das einem Freude macht, sollte man durchaus den Mut haben, etwas Neues zu lernen. Die Erwachsenenbildungsinstitute im Land und im Rheintal bieten Kurse für Fremdsprachen, Weiterbildung zu spezifischen Themen und handwerklichem oder künstlerischem Schaffen. Da findet sich für jeden etwas!
In einer altersdurchmischten Gesellschaft haben wir auch Gelegenheit, mit anderen Generationen gemeinsam unseren Hobbies nachzugehen und für ein friedliches Zusammenleben einzustehen, wo man sich gegenseitig hilft.
Es darf gesagt werden, dass Liechtenstein auch für die doch sehr heterogene ältere Generation ideale allgemeine Voraussetzungen zu einem selbstbestimmten Leben in einem guten sozialen Umfeld bietet und regelmässig erweitert: Die Grundversorgung für unsere alltäglichen Bedürfnisse ist gut ausgebaut; auch mit unseren Sozialwerken sind wir gut aufgestellt. Wer von einer kleinen Rente leben muss, kann Ergänzungsleistungen beanspruchen. Auch stehen uns ein generell gut funktionierendes Gesundheitssystem und auf fachlich hochqualifiziertes Personal vertrauende Pflegeeinrichtungen zur Verfügung.
Manchem Menschen fällt der Übergang aus der Arbeitswelt in den Ruhestand schwer. Dafür habe ich Verständnis, denn trotz theoretischer Vorbereitung auf diesen Tag X ist es gewiss nicht einfach, von heute auf morgen seine Berufstätigkeit beenden zu müssen.
Ich schätze mich glücklich, weil ich selbständig arbeite und mich zum Voraus entschlossen hatte, mit 64 Jahren mein Arbeitspensum deutlich zu reduzieren. Die dadurch gewonnene Freizeit setze ich zumeist für Freiwilligenarbeit ein. Es tut mir gut, mich sozial zu engagieren.
Für sich selbst und füreinander Sorge tragen
Bei all dem Guten und Positiven, das uns das Alter beschert und was ein gesunder Senior und eine mobile Seniorin daraus machen können, dürfen wir nicht vergessen, dass es selbst in unserem wohlhabenden Land viele wirtschaftlich arme Menschen gibt und ebenso, trotz vielfältigen Angebots diverser sozialer Institutionen, auch viele vereinsamte ältere Männer und Frauen. Manche ziehen sich zurück, wenn der Partner stirbt; viele gehen in der Pflege des Partners auf und lassen sich nicht helfen – bis hin zur eigenen Erschöpfung.
Manche ziehen sich zurück, wenn der Partner stirbt; viele gehen in der Pflege des Partners auf und lassen sich nicht helfen – bis hin zur eigenen Erschöpfung.
Da sind wir als Verwandte, Freunde oder Nachbarn gefordert, Courage zu zeigen, indem wir die Betroffenen ermutigen, Hilfe anzunehmen.
Die Beratungsstelle des Seniorenbundes, geführt von Herrn Jakob Gstöhl, ist die ideale Anlaufstelle, wenn Fragen und Probleme auftauchen, die allein nicht gelöst werden können.
Wir ältere Menschen sollten zu uns selbst und füreinander Sorge tragen, durch körperliche und geistige An- und Herausforderungen möglichst lange fit bleiben, sodass wir – inmitten einer altersmässig froh durchmischten Gesellschaft – unsere Lebensphase des Alterns selbstbestimmt gestalten können.
Renate Wohlwend
Renate Wohlwend ist in Niederösterreich aufgewachsen, studierte in Wien und Linz Rechtswissenschaften. Sie war Abgeordnete im Liechtensteinischen Landtag und von 2009 bis 2013 Landtagsvizepräsidentin.
Heute geht Dr. Renate Wohlwend einer reduzierten beruflichen Tätigkeit als Juristin nach und ist Präsidentin im Vorstand des Liechtensteiner Seniorenbundes.