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60Plus | Porträt | November, 2024
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Ihre Gabe wurde zur Berufung

von Gabi Eberle

Von einer geheimnisvollen Aura umgeben, sind bereits aus der Antike aussersinnliche Wahrnehmungen überliefert worden. Wahrsagen ist historisch in allen Gesellschaften und Zeitaltern nachgewiesen, aus denen es Schriftzeugnisse gibt. Auch der Lyriker William Shakespeare (1954–1616) war überzeugt: «Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.» Susy Schädler, am 2. Februar 1964 im freiheitsliebenden Sternzeichen Wassermann geboren, nahm schon als 7-Jährige Schwingungen in ihrer Umgebung wahr. Für die, die zu ihr finden, blickt die Triesenbergerin in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Als kleines Kind war ich oft bei ihr und es trug sich zu, dass ein Mann zum Bier kaufen kam. Kaum war er gegangen, sagte ich zu meiner Grossmutter, dass er nicht mehr lange leben werde.

Bereits ihre Grossmutter väterlicherseits war hellsichtig, führte ein Lebensmittelgeschäft, verkaufte über den Ladentisch Arnikasalben und andere selbst hergestellte Heilmittel. «Sie half den Menschen in allen Lebenslagen. Den Laden führte sie, so glaube ich, nur als Alibi. Als kleines Kind war ich oft bei ihr und es trug sich zu, dass ein Mann zum Bier kaufen kam. Kaum war er gegangen, sagte ich zu meiner Grossmutter, dass er nicht mehr lange leben werde. Sie war entsetzt und verbot mir den Mund. 14 Tage später verstarb besagter Mann tatsächlich.»

Krankheiten und anderes Ungemach, aber auch Erfreuliches zeigten sich Susy bei Menschen in ihrem Umfeld damals durch das Wahrnehmen von Weihrauchgeruch. «Nach und nach lernte ich, mit der Gabe der Hellsichtigkeit umzugehen. Mein Vater war sehr feinfühlig, spürte und sah ebenfalls mehr, trug diese Fähigkeit aber nie nach aussen. Geboren in den 40er-Jahren, wurde damals, wenn überhaupt, über solche Themen nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen.»

Starker Familienzusammenhalt

Als Älteste wuchs Susy mit ihren Geschwistern Norman, Harry, Claudia und Anouschka in der Lavadina in Triesenberg auf. «Wir hatten eine freie, frohe Kindheit, verbrachten viel Zeit im Ferienhaus in Malbun, wo unser Vater oft zur Heuernte ging. Unsere Mutter war Hausfrau, umsorgend und liebevoll. Der Zusammenhalt in der Familie, der enge Bezug zueinander, die gegenseitige Unterstützung – von den Kindern bis zu den Grosseltern – wurde uns von klein auf mitgegeben.» 2022 war für Susy das Jahr des Loslassens. Im Januar starb ihr Vater (81), kurz darauf, im Mai, die Mutter (79). «Sie waren über 60 Jahre zusammen, ihre Liebe zueinander war tief, was sich auf die ganze Familie ausgewirkt hat. Wir sind froh, dass wir ihnen die letzten Jahre noch viel zurückgeben konnten.»

Freiheitsliebend und durchsetzungsstark

Ihre Schulzeit hat Susy in guter Erinnerung, «… habe damals jedoch nie zu erkennen gegeben, dass ich mehr spüre und sehe, merkte instinktiv, wer mir gut gesinnt war. Die anderen habe ich ausgeblendet, ihnen aber auch nichts in den Weg gelegt.» Die anschliessende Friseurausbildung musste sie aufgrund einer Nickelallergie abbrechen. «Ich arbeitete dann in der Turna und im Vögeli in Malbun im Service, fühlte mich dort wohl und genoss den Kontakt mit den Gästen.» Seit bald 40 Jahren ist Susy nun der Trivent treu. «Mein Chef unterstützte mich, Anfang 20 neben dem Job meine Selbstständigkeit als Hellseherin verwirklichen zu können.» Die anfängliche Skepsis ihrer Eltern verflog mit der Zeit, der zunehmende Erfolg gab ihr recht. Was die wenigsten wissen: Lange hegte Susy den Traum, Sängerin zu werden. «Schlussendlich fühlte ich mich aber stärker von der Spiritualität angezogen.»

Die Männer holen auf

Unterstützende Begleiter bei ihren Sitzungen sind die Tarotkarten. Die archaischen Bilderwelten erweitern die Perspektive, den Zugang zum Unterbewusstsein und helfen zudem beim spezifischeren Eingrenzen des Zeitraums, wann Ereignisse stattfanden oder stattfinden werden. Zu Susy nach Triesenberg kommen Menschen aller Couleur und jeden Alters. Waren es die ersten Jahre rund 80 % Frauen, «haben die Männer mittlerweile aufgeholt.» Die am häufigsten gestellten Fragen betreffen Gesundheit, Beziehungen und Job. «Seit Corona haben Existenzängste und die Angst vor Jobverlust stark zugenommen. Auffallend ist auch, dass die Ratsuchenden mittlerweile verstärkt nachmittags zu mir kommen, was auf flexible Arbeitszeiten bzw. homoffice zurückzuführen ist.» Der Kundenstamm des Mediums hat sich über die Jahre ständig vergrössert. Mittlerweile berät sie auch Firmen, wird im In- und Ausland gebucht. Wie geht die Triesenbergerin mit Skeptikern um? «Die wird es immer geben. Im Laufe der Zeit sind es aber weniger geworden. Wer zu mir kommt, tut das aus Überzeugung.»

Ein Kristallkind

2001 kam Sohn Noah zur Welt. «Ein Kristallkind. Bei ab dem Jahr 2000 Geborenen wirkt eine kristalline Aura, eine höhere Schwingung. Sie kamen als Friedensbringer mit einer besonderen Seelenenergie in die neue Welt.» Wie ist er mit der doch aussergewöhnlichen Tätigkeit seiner Mutter zurechtgekommen? «Als Teenager mochte er es gar nicht, es war ihm schon wegen seiner Kollegen eher peinlich. Mittlerweile hat sich das aber geändert; einige der Freunde von damals oder deren Mütter kommen heute zu mir … (lacht). Susy ist sich sicher, dass auch Noah die Gabe der Hellsichtigkeit besitzt, «was er zwar weiss, aber (noch) nicht wirklich wahrhaben möchte.» Im Sternzeichen Jungfrau geboren, auf Sicherheit bedacht, «ist er ein Perfektionist und zudem ein Dickkopf. Den hat er wohl von mir …». Zurzeit bildet er sich zum Betriebswirtschafter weiter, seine grosse Leidenschaft ist aber von jeher die Schauspielerei. «Er liebäugelt nach wie vor ab und zu mit der Schauspielschule. Für den Moment, so sagt er, ist das Thema für ihn aber nicht aktuell.»

«Seit Corona hat sich vieles verändert, die seelische und körperliche Gesundheit hat gelitten. Die Menschen sind ängstlicher, unruhiger geworden.»

Blick in die Zukunft

Zum Schluss darf eine Frage nicht fehlen: Was wird das Jahr 2025 bringen? «Die wirtschaftliche Lage verbessert sich zwar etwas, aber nicht wesentlich. In den ersten Monaten wird in vielen Bereichen noch Instabilität herrschen. Langjährige Beziehungen halten nicht mehr stand. Seit Corona hat sich vieles verändert, die seelische und körperliche Gesundheit hat gelitten. Die Menschen sind ängstlicher, unruhiger geworden.»

Und was hält 2025 für sie selbst bereit? «Für mich beginnt im März ein neuer Lebensabschnitt. Ich gehe in Frühpension und lege dann den Fokus ganz auf das, was immer meine Entsprechung war. Im Bereich der Spiritualität öffnen sich immer wieder neue, spannende Türen. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich zum Beispiel mit Hausräucherungen. Es ist faszinierend, was ein Haus oder eine Wohnung erzählt, welche Energien spürbar sind.» Wofür Susy keinen Blick in die Glaskugel zu machen braucht, sondern die Lebenserfahrung mit sich brachte: «Bisher war ich rund um die Uhr, auch samstags und sonntags, erreichbar. Nun erlaube ich mir, die Zeiten etwas einzugrenzen. Jetzt, wo mein Sohn erwachsen ist, kann ich mich wieder mehr auf mich konzentrieren und freue mich auf das, was noch kommt.»