zurück
60Plus | Fokus | November, 2024
A A

Verborgene Geschichten – neues zur Archäologie in Schaan

von Sarah Leib und Bernd Heinzle

Grab 2 wurde in der Nordwestecke eines älteren Gebäudes angelegt. Die Grabeinfassung besteht aus mehreren Lagen von Steinen, die aus der älteren Mauer entnommen wurden. Oktober 2024, Archäologie, Amt für Kultur, FL.

In Schaan entdeckte römische Münzen, Legionärshelme, Keramik und Gewandnadeln belegen eine römische Präsenz bereits ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. Als Reaktion auf die unruhigen Zeiten des 3. und 4. Jahrhunderts entstanden zur Grenzsicherung zahlreiche Kastelle, so auch das Kastell in Schaan. Es diente dem Schutz der Strasse und gewährleistete die Versorgung der Legionäre. Lange sollte die Anlage jedoch nicht bestehen; bereits in der ersten Hälfte des 5. Jahrhundert wurde sie durch einen Brand zerstört.

Unter dem neuen römischen Einfluss hielt das Christentum Einzug in unsere Region. Im 5./6. Jahrhundert dürfte in Schaan eine christliche Gemeinde bestanden haben. Die Verstorbenen wurden im Umfeld oder in der Kirche beststattet. Doch auch weiter entfernt sind in Schaan Gräber anzutreffen, wie bei der im September und Oktober 2024 durchgeführten Notgrabung in der Obergass 46 festzustellen war. Nur 180 m östlich von St. Peter traten rund ein halbes Dutzend frühmittelalterliche Bestattungen zutage. Die Gräber wurden mit Steinen oder Trockenmauern eingefasst. In zwei Fällen sind Reste von Holzsärgen nachgewiesen. Die beigabenlosen Gräber nahmen Bezug auf ein älteres Gebäude, teilweise störten sie dieses auch (Abb. 1).

Die aus den Mauern entnommen Steine dienten nun als Grabeinfassung. Die Mauer stand möglicherweise in Bezug zu einer Abfallgrube mit spätrömischen Siedlungsresten (Münzen, Lavezgefässe, Terra Sigillata, Werkzeug aus Eisen und Horn und diverse Eisenobjekte; Abb. 2). Die Bestattungen sind in und um die Ruinen eines älteren, römischen Gebäudes angelegt. Die Siedlungsbefunde und das Fundgut – unter anderem aus zwei Abfallgruben – sind zeitlich mit dem römischen Kastell in Verbindung zu setzen.

Ein Teil des Teams der Abteilung Archäologie beim Bergen und Dokumentieren der Funde. Rechts: Konservieren einer römischen Münze (Constantinus, Anfang 4. Jahrhundert n. Chr.) im Restaurierungslabor. Oktober 2024, Archäologie, Amt für Kultur, FL.

Die im Herbst 2024 durchgeführte Notgrabung brachte überraschende und neue Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte in Schaan (Abb. 3). Doch derzeit sind noch einige Fragen offen. Wie stehen die römischen und frühmittelalterlichen Funde in Bezug zum nahen gelegenen Kastell und dem frühmittelalterlichen Bestattungsplatz bei St. Peter? Welchem Zweck diente das in der Kampagne 2024 neu entdeckte römische Gebäude? Wann wurde das Areal aufgelassen und als Bestattungsort genutzt? Einige Antworten auf diese und weitere spannenden Fragen sind in der nächsten Ausgabe «Archäologie in Liechtenstein» zu lesen.